Auch die Oldtimer-Rallye „Rund um Oelde“ musste 2020 coronabedingt ausfallen. In diesem Fall passte aber der Hinweis „verschoben auf 2021“ – denn der AC Oelde ist für dieses Jahr lobenswerterweise auf ein Kontaktlos-konzept umgestiegen, um eine Fahrt auch bei widrigen Umständen möglich zu machen. Lange Zeit war es (verdächtig) still und informationslos auf der Internetseite des Clubs, aber dann ging es Schlag auf Schlag und die Nennliste füllte sich sehr schnell, nicht nur mit den einschlägigen Verdächtigen. Oelde war und ist immer schon eine sehr begehrte Fahrt gewesen, bei der sich alles trifft, was sozusagen „Rang und Namen“ hat. Das ebenfalls konkurrenzlose All You Can Eat & Drink am Abend musste zwar entfallen, aber dafür ging es wieder in zwei Gruppen auf die Strecke.
Die Wartezeit bis zum Veranstaltungstag können wir uns einmal gut vertreiben, in dem wir uns mit einem speziellen Spezialthema der Oldtimerrallyes beschäftigen: Der Klassenbildung und der Startliste! Insb. letztere kann man durchaus zur Wissenschaft ausbauen. Es soll Fahrtleiter geben, die es sich nicht nehmen lassen, hier letzte Hand anzulegen und eine Startliste nach ihrem persönlichen Gusto, quasi nach einer alchemistischen Formel (neudeutsch: Multifaktorenmodell) zusammen zu brauen.
In der linken Abbildung sehen wir die Nennungen für Rund um Oelde 2021, das ist sicherlich nicht statistisch repräsentativ, aber mehr oder weniger doch sehr ähnlich heutzutage bei den üblichen Verstanstaltungen der ADAC-Ortsclubs (wir reden hier nicht über Histo Monte oder Sauerland Klassik)
Von 99 genannten Teilnehmern möchten 15 sportlich fahren und 84 bevorzugen die touristiche Variante, die in Oelde aber, ganz typisch westfälisch, eher tourensportlich ausfällt. Damit ist der Anteil der „Sportler“ in Oelde vergleichsweise noch eher hoch. Andere Rallye-Veranstalter kämpfen hier mit sehr geringen, z.T. einstelligen Nennzahlen. Die Anstrengungen der sportlichen Klasse wollen sich nur wenige, manche sagen auch: immer weniger, Altblechbegeisterte antun. Zum Teil mag es aber auch an Aufgabenstellungen liegen, die auch objektiv betrachtet etwas über das Ziel hinausschiessen und für die Lösung zum „Gehirntod“ führen. Stichwort: Selbstverwirklichung der Fahrtleiter.
Im nächsten Schritt fällt der Blick auf die Klassen und damit das Alter der teilnehmenden Fahrzeuge (nicht der Teilnehmer, auch das wäre mal eine interessante Auswertung). Der AC Oelde orientiert sich hier, wie üblich, am Klassement der FIVA (hat nix mit Fussball zu tun, da mit „V“). Es gibt ja so ein landläufiges, laienhaftes Bild vom Oldtimer; in der Lokal-Presse steht dann was mit „chromblitzend“, „alte Schätzchen“, ggf. fällt sogar das Wort „Schnauferl“. Tja, das war einmal. Die Szene altert oder verjüngt sich, je nachdem wie man es betrachtet. Die Alterspyramide hat sich jedenfalls deutlich verschoben, hin zu den Fahrzeugen der 1970er und vor allem der 1980er Jahre. In Oelde kommen 2021 jedenfalls 47% der teilnehmenden Fahrzeuge aus den Jahren 1981 oder jünger. Umgekehrt haben lediglich 18% der Fahrzeuge ein Baujahr 1970 oder älter! Von Vorkriegsmodellen wollen wir hier gar nicht erst reden, die sind super-super selten geworden (und ehrlich gesagt: bei den heutigen Aufgabenstellungen passen die auch eher zu einer Ausfahrt). Bedeutet in der Praxis u.a.: mit einem Buckelvolvo aus 1961 hat man schon eines der ältesten Fahrzeuge im TN-Feld. Und: wenn man taktisch auf Platz fahren will (ggf. als Cup Teilnehmer) sollte man, sofern die Wahl besteht, mit einem Fahrzeug der 1960er Jahre antreten. Für einen Klassensieg gibt es dort eindeutig weniger Konkurrenz.
Jetzt der Blick auf die Nenn- oder Starterliste. Zentrales Interesse einiger Teilnehmer: Wie kommt die Reihenfolge zustande und wo, auf welchem Startplatz, stehe ich?? Für niedrige oder hohe Startnummern lassen sich unterschiedliche Argumente finden. Vielleicht hat man auch persönliche Glücks- oder Lieblingszahlen, die man als Startnummer haben möchte („die haben wir immer!“). Als Veranstalter kann man hier schnell in kompliziertere Diskussionen einsteigen, wenn dieses Fass einmal aufgemacht wird. Der Wunsch nach einer frühen oder eher späten Startnummer ist aber m.E. legitim und wird auch sehr oft nach Möglichkeit erfüllt. Es sei denn, der Veranstalter hat eine eigene strenge Rangordnung. Hier sind die Prinzipien „Startnummer nach Zeitpunkt des Nennungseingangs (Windhundprinzip)“ oder „Startnummer nach Alter (Baujahr) der Fahrzeuge“ einschlägig. Dabei gilt eigentlich immer: Älteste Fahrzeuge starten zuerst. Die Reihung nach Alter wird insb. dann gewählt, wenn der Veranstalter am Start mit (vielen) Zuschauern rechnet, da die älteren Oldtimer (vermeintlich) attraktiver sind, als sagen wir ein Ludenbenz aus dem Jahr 2000. Das führt aber auch dazu, dass die Youngtimer dann immer vom Ende aus starten und dies nicht selten mit langen Wartezeiten am Start verbunden ist. Zudem fahren die oft leistungsstärkeren Youngtimer auf der Strecke dann ggf. auf die 27 PS-„Boliden“ der Nachkriegsära auf – sorgt auch nicht immer für Heiterkeit.
Auszug Startliste „Rund um Oelde 2021“. Hier wurde streng nach Alter gelistet. Und zwar offenbar so streng, dass naheliegende Zusammenfassungen nicht erfolgten. So traten aus den Jahren 1973/4 insgesamt fünf BMW 02 an, die ich persönlich gerne im Formationsflug gesehen hätte. In Oelde aber unterbrochen durch andere Teilnehmer.
Überall wo ein kleines blaues „hier“ steht, konnte man sich ein Dokument runterladen…
In den Tagen unmittelbar vor der Veranstaltung gab es dann rege Veröffentlichungsaktivitäten: sowohl bei Facebook als auch auf der Internetseite konnte man sich über mangelnden „Lesestoff“ vorab nicht beschweren. Oder doch? Viel hilft nicht immer viel, man verliert ggf. den Überblick. Muss ein Anschreiben und die Übersicht der in der „Tüte“ liegenden Artikel vorab ins Netz gestellt werden? Im Prinzip reichen doch: Aufgaben/Roadbook und Fahrerbrief aus, oder? Hat man hier einen Blick hinein geworfen, dann erkennt man schnell: Die Oelder sind sich sehr treu geblieben, die Aufgabestellungen/Regularien entsprechen den Vorjahren. D.h. für die „touristische“ Gruppe eine (weitgehend) durchgezogene rote Linie zur Streckenführung und 6 WP inkl. der berühmt-berüchtigten 3er Rundkurs-Wertung bei WBV. Man ahnt es… am Ende haben 50% der Teilnehmer null Fehler in der Bordkarte und es kommt wieder einmal auf gute Zeiten an…
Soviel zur Vorberichterstattung, die dieses Mal wahrscheinlich länger ausgefallen ist, als der Rallyebericht selber. Denn für Oelde galt dieses Jahr: Same procedure as last year? Same procedure as every year….!“ Das ist überwiegend positiv gemeint. Doch von Anfang an. Es stand ein anstrengendes Wochenende bevor. Zunächst in Oelde in der touristischen Klasse starten (Wahl fiel auf Gruppe T aufgrund der Cup-Wertungen), dann abends zurück nach Münster, Fahrzeug wechseln und 220 km nach Aachen. Dort gegen 23 Uhr angekommen und am Sonntag noch die Ecurie-Aix-La-Chapelle in der Gruppe Tourensport durch Belgien und die Eifel genagelt. Ein echtes Kontrastprogramm, aber das konnte ich am Samstag morgen noch nicht wirklich wissen (ggf. ahnen).
Super Atmosphäre schon beim Eintreffen!
Rote Eichhörnchen beim Start inkl. Lichtschrankenprüfung.
EIN WC-Wagen für 200 Teilnehmer? Igitt.
Der Coronagott Arminius meinte es gut mit uns, und genau passend zum Tag wurde in NRW eine neue „Corona-Verordnung“ erlassen, mit weitgehenden „Lockerungen“. So gab es schon beim Eintreffen am Startgelände eine super Atmosphäre mit vielen Bekannten und noch mehr schönen Fahrzeugen. Auch der Wettergott spielte mit, so dass man belegte Brötchen und Kaffee in der strahlenden Morgensonne genießen konnte. Dabei war auch der Start zu beobachten. Hier ging es direkt in eine Sollzeitprüfung mit einer Messung: die eigene Startzeit musste an der Lichtschranke möglichst exakt getroffen werden. Nach dem üblichen Aufgerödel starteten auch wir um 9:59 Uhr in die Etappe1.
Das Bordbuch bot das von Oelde gewohnte Bild: sauber gebunden, DIN-A 4 und scharfes Kartenmaterial. Die Streckenführung war als durch-gezogene rote Linie vorgegeben. Dazu kamen, als „Würzung“, insgeamt 6 Zeitprüfungen, davon 2 als normaler Rundkurs und dazu dann noch „der“ Klassiker in Oelde schlechthin, der WBV Rundkurs. Die Orientierungs-aufgaben waren im Vergleich zu den Vorjahren (2018, 2019) doch deutlich einfacher gestaltet. Eigentlich gab es nur eine Überlappung und eine weitere Stelle („M“ versus „R“) bei der man aufpassen musste. Natürlich: auch Baumaffen kann man auf der Idealstrecke übersehen! Die Strecke führte im übrigen wieder durch eine wunderschöne Landschaft, bei der nur die Landmaschinen (auch heftig im Einsatz) etwas störten. Die Anwohner an der Strecke waren den Oldtimerfahrern sehr wohl gesonnen und winkten bei Kaffee&Kuchen oder auch Bier einem zu. Sehr schön.
Die Kehrseite der Medaille: es passierte zu wenig auf der Strecke. Keine Baumdreicke oder sonstige Tricks. Insofern wirklich ideal für echte Rookies, aber mit ein wenig Übung war man hier unterfordert. Manche Streckenteile wurden auch bis zu 3mal angefahren. Hier entstand zum Teil der Eindruck, es geht nur darum „Strecke zu machen“, ohne dass überhaupt eine Aufgabe dahinter steht. Zum Glück gab es ja die Zeitprüfungen, die für Abwechslung sorgen.
Neben den „normalen“ Sollzeitprüfungen gab es zwei Rundkurse, einmal an der Schützenhalle und einmal in einem Gewerbegebiet. Start- und Ziellichtschranke waren hier identisch.
Besonders legendär in Oelde ist (neben den Kreisverkehren im Jahr 2018) die WBV-Prüfung. Diese hat es sogar schon zu Ehren in einem Buch gebracht (siehe hier). Auch dieses Mal durfte der Rundkurs um das imposante Lagergebäude nicht fehlen. Auch die Anordung und Ausgestaltung der Prüfung schafft ein sehr spezielles Rallye-Flair.
Weniger schön war, dass wir und viele, viele andere Teilnehmer vor den ZK (zu)viel Wartezeit hatten. Die Strecke war zu einfach… oder die Zeit zu großzügig bemessen. Zweimal hatten wir ca. 30 Minuten Vorzeit.
Hier konnte man auf den schmalen Wegen auch wieder beobachten, wie Teilnehmer die Strecke komplett blockierten. Was soll das? Da kam in Teilen niemand mehr durch, weder normaler Verkehr noch andere Teilnehmer, die ggf. doch Zeitnot hatten. Ich empfehle den Veranstaltern (das ist nicht nur in Oelde so), darauf noch konsequenter hinzuweisen, z.B. in der Ausschreibung, dem Fahrerbrief oder in der Fahrer-besprechung!
Im Anschluss an die WBV Prüfung, die auch in diesem Jahr sehr viel Spass gemacht hat, ging es nochmal zum Drostenhof, hier war jetzt auch das ZIEL aufgebaut. Als wir dort eintrafen, war dort wirklich schon eine super Stimmung. Ich sag mal, Volksfestcharakter. Die Veranstalter hatten aufgrund des günstigen Corona-Klimas kurzerhand Biermarken verteilt und so war dort eine Stimmung, wie sie beim Zieleinlauf der Rallye Monte Carlo kaum besser sein kann 🙂
Leider hatte ich nicht so viel Zeit zum verweilen, denn – siehe oben – ich musste ja noch zur nächsten Rallye eilen… Schade eigentlich…
Fazit: der AC Oelde wollte wieder eine schöne und stilvolle Oldtimer-Rallye auf die Beine stellen, trotz dem bösen C, und das ist voll gelungen. Insgesamt gab es eine sehr heitere, gelöste Stimmung, was wohl auch am Wetter und der Corona-Lage lag. Die freundlichen Helfer, die begleitende Facebook Berichterstattung und das aus meiner Sicht gute Essen (hört, hört) taten das ihre. In Oelde sind Profis am Werk, das merkt man an vielen organisatorischen Details und z.B. auch an der Ausrüstung. Mein Hauptkritikpunkt ist das sehr anspruchslose Niveau in der touristischen Klasse. Während es in den Vorjahren hier doch noch einige Highlights gab, war dieses Jahr diesbezüglich Langeweile angesagt. Wie eingangs erwartet, hängt somit die Wertung am Ende nur an den Zeitprüfungen und dafür muss man nicht soviel Strecke fahren. Auch wenn diese sehr schön ist.
Diese Kritik richtet sich aber auch an den ADAC OWL, der die Cup-Serie ausrichtet. Da man sich für eine der beiden Kategorien entscheiden muss und der Anspruch doch von Rallye zu Rallye sehr unterschiedlich ist (man vergleiche Herford mit Ahaus mit Oelde), wird man als Cup-Teilnehmer faktisch „gezwungen“ z.B. in Oelde touristisch zu nennen, obwohl ggf. sportlich hier einem besser liegen würde und auch machbar wäre. Dieses Dilemma können die Veranstalter nur gemeinsam mit dem Cup-Ausrichter lösen. Anregungen könnten vom ECC in Aachen kommen, der eine Art gemischte Klasse schon praktiziert…
Nachtrag zur Auswertung und den Ergebnissen: Als kontaktlos geplante Veranstaltung gab es am Veranstaltungstag selber weder Ergebnisse noch Aushänge. Das muss kein Nachteil sein! Im Gegenteil, der Auswerter hat dann viel weniger Zeitdruck und etwaige Fehler können noch behoben werden, bevor die Pokale verteilt werden. Wie schon an anderer Stelle beschrieben, ist oder war das für mich einer der großen Vorzüge einer kontaktlosen Fahrt, der gerne beibehalten werden darf! Auch in Oelde hat der Fehlerteufel zugeschlagen und so konnten wir nur kurze Zeit unseren Gesamtsieg feiern. Dann kam die Korrektur und wir wurden einen Platz downgegraded… Nun, auch mit Platz 2 Gesamt (und Platz 1 in der Klasse) können wir sehr zufrieden sein (sind wir auch), gerade im Hinblick auf die erwähnten Cup-Wertungen 🙂 Die VFF Selbsthilfegruppe hat sich im Übrigen wieder super geschlagen und konnte auch die Profis vom MSC Hermannsdenkmal in der Mannschaftswertung eindeutig auf Rang 2 verweisen. Chapeau.
Nachtrag zum Nachtrag: Ein Pokalversand sollte so erfolgen, dass ein zeitlicher/gedanklicher Bezug zur Veranstaltung noch gegeben ist. Dies ist nach einem Monat (!) bei mir jedenfalls nicht der Fall…
Ausführliche Nachberichterstattung, Ergebnisse und Bilder beim Veranstalter runden
das positive Bild ab (abgesehen vom Pokalversand, der offenbar nicht funktioniert)