Die Rallye Ruhrgebiet Classic des MSC Ruhrblitz bereichert seit einigen Jahren traditionell im Herbst von Bochum aus den Rallyekalender. Hier trifft sich zum Saionausklang noch einmal (fast) alles, was Rang und Namen hat. Besonderheit: Es gibt nur eine Klasse – kein Touristisch, kein Sportlich – nur eine Art guter Mix von Aufgaben auf gehobenem tourensportlichen Niveau. Immer mit dabei: Georg´s Spezialetappen. Sei es eine Rollprüfung, rote Linien auf rotstichiger Karte, die Durchfahrt eines Parkhauses an der Ruhr-Uni oder die hier sehr beliebten Kreisverkehre. Für kniffelige Abwechslung war immer gesorgt.

Die Gaststätte Goerke in BO-Grumme hat mich persönlich als Start- und Ziellokal immer sehr überzeugt, aber Parken ist dort schon schwierig. So gibt es anno 2021 eine Neuerung: mit der Jahrhunderthalle in Bochum konnte eine Landmarke der Route Industriekultur als Start- und als Ziel-Ort gewonnen werden.

Für mich das wahrscheinlich schönste Rallye-Logo.
Sehr schöne Grafik verschiedener Landmarken der Industriekultur.

Bei unserem Eintreffen um 9 Uhr herrschte schon sehr geschäftiges Treiben an und in der Jahrhunderthalle. Bei der Einfahrt durch den gelben ADAC-Bogen wurde „3G“ geprüft, dann ging es in das Gebäude zur Papierabnahme, die hier und heute sehr streng gehandhabt wurde. Alle Unterlagen gab es in der üblichen „Tüte“, das Roadbook hingegen erst 15 Minuten vor Start. Dieser war bei uns für 10.05 Uhr vorgesehen. Die Zeit bis dahin verbrachten die einen noch beim Verteilen von Flyern, die anderen frühstückten im schönen Foyer und lauschten den Ausführungen der Leitung bei der Fahrerbesprechung. Wirklich Bedeutsames gab es aber nicht, bis auf die „3G“ – Georg, Georg und Georg (?), einer davon bekannte sich schon vorab dazu, der „G-Hasste“ zu sein. Eine fast prophetische Aussage 🙂

Das Ambiente der Jahrhunderthalle war/ist wirklich einmalig und passt ausgezeichnet zu einer Oldtimer-Rallye. Auch das Frühstück war klein, aber stilvoll. Danach schnell noch die 300 Treppenstufen runter zum WC und dann das Roadbook abgeholt. Draussen hatte ich beim Anmarsch schon die Schilder und Lichtschranken gesehen, also ging es direkt am oder nach dem Start in eine Mehrfach-WP. In Erinnerung an Lengerich wollte ich dieses Mal die Uhren ohne Hektik stellen.

Mein Fahrer war verschwunden und ich stellte schon mal die Zeiten ein für GLP 1, 2 und 3 – 10, 40 und 30 Sekunden. Direkt ab Start ging es los, dann durch den Kreisverkehr und durch einen Wendehammer. Hier stand lt. Fahrerbesprechung angeblich ein LKW ungünstig im Weg und es blieb offen, ob diese WP nun gewertet wurde, oder nicht. Jedenfalls gab Bulletin 1 strenge Anweisung, in dieser Prüfung andere Teilnehmer nicht zu behindern, vor allem nicht im Kreisverkehr.

Kurz vor knapp erschien dann auch mein Fahrer von seiner Flyertour. Unglaublich. Jetzt aber fix einreihen in die Startaufstellung.

3-2-1-ab. Los ging es zur Startzeit in die WP 1… und obwohl wir den Standort der ersten Lichtschranke ja kannten, wurde es schon wieder knapp. Gemächlich fuhr der Fiat los, dann aber musste Gas gegeben werden. Die Strecke wurde immer länger und die Zeit kürzer. Was war das denn? Direkt am Start so eine Prüfung, bei der echt Vollgas gefahren werden musste. Direkt in GLP 2 rein, hier hatten wir 40 Sekunden, es ging die Zuwegung zur Halle runter und einmal rund durch den Kreisverkehr. Leider war die Strecke nicht wirklich abgesperrt worden. So kam uns an kritischer Stelle mal direkt ein wild gestikulierender und fluchender Radfahrer vorbei. Der hatte offenbar nicht mitbekommen, dass es hier und heute eine Veranstaltung gab. Für solche Fälle gibt es aber eigentlich Absperrungen und Streckenposten. Im Kreisverkehr selber begegnete uns dann noch Startnummer 4, die uns aber freundlicherweise vorbei fahren ließen, sehr fair – so sollte das sein! Dann durch die Lichtschranke und den Wendehammer zurück. Kein störender LKW in Sicht. Noch einmal die „2“ holen und dann verliessen wir schon leicht „in Schweiss“ die Gegend an der Jahrhunderthalle nach Kartenskizze.

Durch Bochum ging es dann über Schnellstrassen und Autobahnen in Richtung Ruhr-Uni. Hier gab es zwar noch keine Kontrollen, aber wirklich ein-eindeutig war die Strecke leider auch nicht. Die ersten Teilnehmer zerlegten sich schon auf der Autobahn (die korrekte Abfahrt war weder nummeriert noch benannt). Wäre uns auch beinahe auch passiert, aber nur beinahe. An der Ruhruni gab es dieses Jahr eine recht einfache Kartenaufgabe, wobei an der entscheidenden Stelle (Kreisverkehr in natur war in der Karte nicht verzeichnet, dort roter Punkt) keine Kontrolle hing. Angeblich Absicht, wir erspähten aber Reste von Kabelbinder an einem Laternenmast.

Manchmal helfen eigene Skizzen, die Lage vor Ort und die Absicht des Fahrtleiters besser zu verstehen —>

Weiter ging es in Richtung Süden, ins Grüne. Hier und im weiteren Verlauf war die Gegend aus vorherigen Ruhrgebiet-Rallyes schon bekannt. Es gab auch dieses Jahr den typischen Rotstich in den Karten. Nach 75 Minuten erreichten wir die ZK 1. Kurz vorher lag aber noch ein kleiner roter Punkt neben der Hauptstrasse (hier standen einige Mülltonnen). An der Hauptstrasse hing, fast schon provokativ, die „32“. Also einmal drumherum, da negativ? Womöglich, aber war nicht die Verbindung über die Hauptstrasse zum Punkt kürzer? Hier musste man gut überlegen und mit der Atomuhr abwiegen welche Strecke denn nun kürzer war. So eine Art Magnus-Korff-Gedächtnis-Aufgabe 🙂

Weiter ging es über schlechte Strassen nach Sprockhövel. Die Landschaft hier ist wunderschön, aber man ist als Rallye-Teilnehmer auch schon des öfteren hier entlang gefahren… Nachdem die DK an der Brücke viermal und die „99“ dreimal notiert wurden, erreichte man die Rollprüfung. Dort war diese schon 2016 und 2019 platziert gewesen. Also kein Problem? Mitnichten! Denn dieses Jahr herrschte hier autobahnähnlicher Gegenverkehr. Wir mussten 4 PKW und 1 Fahrradfahrer abwarten, bevor wir starten konnten. Daher standen wir auch direkt vor dem Mess-Schlauch. Bremen lösen und losrollen. Oh… wieso ist das so langsam? Keine Chance, die Ziellichtschranke in der geforderten Sollzeit zu erreichen. Hier hätte man mit Anlauf in die Messung fahren müssen. Dummerweise lautete die Anweisung vom Posten „Motor aus“. Auch wenn andere Teilnehmer hier besser performed haben als wir, war die Ausführung der Prüfung vor Ort doch suboptimal (und anders als in den Vorjahren). Wenn man am Start wie gefordert stand, hatte man keine Chance, nur durch Rollen die Prüfung zu schaffen.

Wir erreichten mit ausreichend Vorzeit das Lokal der Mittagspause „Op dä Höh“. Hier konnte man schön in der Sonne sitzen (ohne Maske), die Verpflegung war aber leider, mal wieder, nicht „auf der Höhe“. Es gab wahlweise Gulasch- oder Kartoffelsuppe und beide Varianten waren erkennbar mit Wasser gestreckt und massiv gepfeffert, damit das nicht so auffällt. Haha. Hier musste ich an das Suppendebakel in Hagen denken. Sorry, aber der Wirt verdient Haue.

Nach der Pause ging es weiter nach Karte und wir erreichten im Wald die 30/60 Prüfung. Diese stand direkt vor einer sehr engen Haarnadelkurve. Das war tatsächlich nicht nur „haarig“, sondern echt gefährlich. Denn auch hier gab es massiv Gegenverkehr auf eine Strasse, die maximal 1,5 Fahrzeuge breit war. Man darf nicht daran denken, was passiert wäre, hätten wir hier in der Prüfung Gegenverkehr gehabt.

Wenig später kam das nächste „Highlight“ – die Poller des Grauens.

Man befuhr die kürzeste Strecke auf einer zunehmend schmalen Strasse. Von Asphalt wechselte es auf Schotter, aber: immer noch doppellinig nach Karte. Hier wäre Gegenverkehr unmöglich gewesen. Den gab es aber auch nicht. Nur eine Frau mit Hund: „Hier geht es nicht weiter!“ Nun, nicht dass einen sowas beeindrucken würde. Roadbook ist Roadbook und kürzeste Strecke ist nunmal kürzeste Strecke. Dumm nur, dass wir dann an Position 3 vor drei Pollern im Wald bei einigen Häusern strandeten. Hier ging es erstmal nicht weiter. Verdammt. Zurück fahren war kaum eine Option, denn wenden konnte man hier nicht und der ganze Weg war mit Oldtimern verstopft. Zum Glück konnten einige findige oder besonders starke Teilnehmer die Poller.. ähm.. zur Seite räumen. Also wieder aufsatteln und weiter. Diese ganze Aktion kostete uns aber ca. 20 Minuten Zeitverlust.

Oldtimer-Rallye im Blairwitch-Style. Es wurde immer enger und die Dame mit dem Hund meinte noch „hier geht es nicht weiter“…

Hinter dem roten Alfa standen noch ca. 15 Fahrzeuge. Darunter Vorkriegsmodelle. So einfach mal rückwärts den Berg wieder runter war nicht.

Hier endete die Fahrt nach kürzester Strecke von Aufgabenteil zu Aufgabenteil an drei Pollern. Wilde Diskussionen und „ich fahre hier nie mehr“-Kommentare.. Zum Glück gab es starke Männer, die diese Poller zur Seite räumten. Sonst wären wir dort heute noch gestrandet. Nirgendwo eine Kontrolle in Sicht!!

Das bekamen wir am Ziel ZK 2, gleichzeitig Start zur Spezial-Ori zu spüren. Hier herrschte totales Chaos. Nicht nur, dass wir und andere viel zu spät ankamen. Die Kontrolle war auch ohne Verstoss gegen die Fahrregeln nicht zu erreichen.

Die Chinesen-Rallye war auf Zeit zu fahren (ca. 30 Minuten) und war grosses Kino. Kreuz und quer ging es durch ein Gewerbegebiet. Auffällig die vielen Polizeifahrzeuge hier. Aber offenbar nicht wegen uns. So konnten wir hoch konzentriert die vielen, vielen Fahraufträge fahren und Stück für Stück abstreichen. Vor dem Ende der Chinesen lag noch die Ziel-GLP. Hier konnte man nicht nur einen wunderschön modrigen Polo bewundern, sondern auch Teilnehmer, die NACH dem gelben Schild auf die Einfahrt in die Ziellichtschranke warteten. Laut Regularien müsste sowas mit Strafpunkten belegt werden. Tja, müsste, hätte, Konjunktiv. Das ist mir aber schon bei vielen Fahrten aufgefallen: die Gelbe-Schild-Regel wird „in der Regel“ nicht geahndet. Mangelnde Konfliktbereitschaft oder mangelnde Schulung der Posten?

Gepflegter Polo sucht neuen Besitzer. Wolle kaufe?

Geiles Endrohr.

Boh-Ay! Krasse Karre! Und vor allem „Mit dem Fisch!“

Nach der Chinesenrallye ging es dann weiter mit Seite 19 , äh haha, Seite 18, Spässle gemacht. Genau so ein „Spass“ war die „99“ die erkennbar deutlich in einer Strasse hing, aber einen dort in die Irre führte. Gemeint war etwas anderes.

Nach der letzten Kartenaufgabe näherten wir uns wieder der Ruhruni und über Schnellstrassen ging es nach Chinesen in die City, wo noch eine finale DK auf uns wartete. Leider waren die Chinesen nicht nur abenteuerlich kilometriert, sondern z.T. auch offenkundig falsch. 8. Ampel rechts sagte der Chinese, der zugehörige Text aber „links“. Hier durfte man das Bordbuch nicht wörtlich nehmen, sondern musste wieder erkennen, „was gemeint war.“ Dann ging es aber. In der Innenstadt (Bongard Boulevard) gab es in der Vergangenheit immer noch eine finale, spektakuläre GLP vor Publikum. Dieses Jahr leider nur eine DK mit recht wenig Zuschauern. Aus Teilnehmer-Sicht hätte man sich diese Runde durch den Stadtverkehr sparen können. Und dann wieder das Roadbook: DK, danach nach 20 Metern Ampelkreuzung geradeaus. Hä?! Hier stimmte wieder nix. Den Weg zurück haben wir dennoch gefunden.

Das Abendessen und die Zeit in der Jahrhunderhalle am ZIEL waren wieder sehr schön und stilvoll. Tolles Ambiente, sehr gutes Essen & Service. Auch ohne laufend geänderten Aushang wie in Augustdorf war für Gesprächsstoff gesorgt. Wie oft die 32? 66 und 67? Was war mit der 99? Wer stand alles wie lange im Stau vor den Pollern? Wer hat wie das Chaos vor der Chinesenrallye erlebt?

Der Ergebnisaushang erfolgte hybrid: zum Teil online und zum Teil wie üblich papierhaft und ausgedruckt im Foyer. BK 1 hing sehr schnell.. moment mal, das ist doch MEINE Handschrift ….? wie kann das denn…? Oh, ok, null Fehler in BK 1, nicht schlecht. Dann auch noch null Fehler in BK 2.

Die finalen Ergebnisse waren gegen 19 Uhr / 19.30 Uhr bekannt und die Siegerehrung konnte gegen 20 Uhr stattfinden. Das sind Zeiten, von denen andere Veranstalter träumen. Die Schattenseite: einiges wurde neutralisiert. Auf der einen Seite berechtigt: alle ZK-Zeiten wurden nicht gewertet und damit das Desaster an den Pollern neutralisiert. Die desaströse Roll-WP und die 30/60-Prüfung vor der Haarnadelkurve wurden aber gewertet. Dumm für uns, mit 5 Strafpunkten aus den WP reichte es dann noch für Platz 1 in der Klasse 8 und für Platz 4 gesamt. Leider damit keinen der schönen Gesamt-Pokale ergattert. Insgesamt war wieder mal ein Favoritensterben zu beobachten. Viele sehr erfahrene Teams waren nicht so gut platziert. Zudem gab es krasse Abweichungen zw. Platz in der Klasse und Platz gesamt.

Dafür gab es aber mal wieder den Pokal in der Mannschaftwertung 🙂 Motto: ich kauf mir einen Pokal…

Fazit:

Im Prinzip wieder eine typische Rallye Ruhrgebiet mit allen bewährten Zutaten. Die Jahrhunderthalle als START und ZIEL ist ein absolutes Highlight in jeder Hinsicht, auch kulinarisch. Das „Mittagessen“ war hingegen ein Desaster, was aber für die Gesamtwertung nur anekdotisch zählt. Auffällig waren dieses Jahr einige Fehler im Bordbuch und vor allem die aus meiner Sicht oft sehr ungünstig platzierten Kontrollen und Zeitmessungen. Hier geht es weniger um „unsere Zeiten“, sondern es war m.E. zum Teil einfach gefährlich. Die Strecke war sehr schön, aber für „Wiederholungstäter“ bekannt. Die Chinesen-Rallye hat uns sehr gut gefallen und war einfacher als zunächst gedacht. Es gab recht wenige Kontrollen, das macht die Auswertung einfacher, aber gefühlt sind wir einige Schleifen nur gefahren, um Strecke zu machen. Das könnte man dann auch abkürzen. Für 2022 wünsche ich mir etwas mehr Abwechslung bei der Strecke und eine bessere Qualitätssicherung, dann passt es wieder 🙂

P.S. Dieses war die Fahrt mit den meisten WC´s und Pissoirs ever (in der Jahrhunderhalle). Da kamen in dieser Hinsicht keine Beschwerden auf, wie z.B. am Bilster Berg. Hierfür gibt es die Dixiklo-Medaille in urin-gelb 🙂

P.P.S. Das Wetter war wieder einmal traumhaft. Hier haben die Ruhrblitze wohl ein Abo bestellt.

Lesetipp: Dr. No hat zu dieser Fahrt einen sehr schönen & ausführlichen Bericht für eine Citröen-Clubzeitschrift verfasst.