NOSW – Norden – Osten – Süden -Westen? Sinnbild für verwirrte bzw. verirrte Orientierungsrallyefahrer, die einem aus allen Himmelsrichtungen entgegen kommen…? Oder: NOSW – Niederrheinische Oldtimer-gemeinschaft Schermbeck & Westfalen e.V. im ADAC.

Letztere veranstaltet sehr stilvolle Oldtimerveranstaltungen (Ausfahrten, Treffen, Orientierungsfahrten) und kommuniziert dieses u.a. über die ebenfalls stilvoll und gut gemachte Internetseite. Die Rallyes führen zudem durch landschaftlich sehr reizvolle Strecken am Niederrhein oder in der Hohen Mark. Kehrseite der Medaille: die Fahrten gelten als sehr speziell u. zudem sehr anspruchsvoll – zu Recht. Die üblichen Regularien oder Wertungsregeln eines normalen ADAC-Ortsclubs gelten hier nicht. Das Kartenmaterial ist auch … gewöhnungsbedürftig. Zur Einstimmung bitte einmal die (Gast-)Berichte zur NOSW Springtime Classic lesen (Link).

Zudem Flashback: Bereits 2015 sind wir hier einmal probeweise gestartet und konnten immerhin den 2. Platz in der Klasse und den 3. Platz gesamt erzielen, allerdings mit insges. 140 Strafpunkten in der damaligen Klasse „SL“ – „sportlich leicht“. Seitdem hat sich einiges getan, und so gibt es anno 2021 auch eine andere, ebenfalls spezielle Klasseneinteilung.


Angeboten werden drei Schwierigskeitsgrade: Ausfahrt, anspruchsvolle Touristik und Tourensport. Auf der Internetpräsenz des Vereins wird sehr ausführlich und transparent dargestellt, was einen in diesen Klassen so erwartet. Diese Transparenz ist beispielhaft, insb. wenn man mit den Infos anderer Rallyes vergleicht! Da steht z.B. manchmal einfach nur „Fahrt nach Bordbuch … Sonderprüfungen können vorkommen“ 🙂 Ach was. Auch die Darstellung von Schwierigkeitsstufen („Stufe 2 von 5“) ist eine gute Hilfestellung.

Die weitaus überwiegende Zahl der Teilnehmer wählt bei der NOSW die Ausfahrt. Zum einen entspricht das durchaus dem Trend auch bei anderen Rallyes. Zum anderen liegt dies an dem Ruf wie Donnerhall, der hier den anspruchvolleren Schwierigskeitsstufen vorauseilt. Jedoch: Bei der Ausfahrt und auch der „anspruchsvollen“ Touristik gibt es Wissensfragen und Aufgaben aus den Tuniersport. Das ganze Leben ist zwar ein Quiz, genau wie 1 m an den Baum ranfahren muss sowas aber bei einer Rallye nicht sein. Also für uns „Nein Danke!“ zu den Quizfragen – dafür her mit „mehr Fahrtregeln“, auch wenn man vom Fahrtleiter wieder ausgepeitscht wird.

Apropos, weitere Besonderheit – es darf zurückgepeitscht werden, denn lt. Ausschreibung gilt: „Einsprüche sind ausdrücklich zugelassen. Unsere Veranstaltung ist eine der wenigen, die Einsprüche auch von einzelnen Teams ernst nimmt und auch entsprechend behandelt. Die Fahrtleitung neutralisiert alle Kontrollen, die wir Ihnen nicht eindeutig als Fehler nachweisen.“ Das klingt nach intensivem Email-Verkehr nach der Fahrt 🙂

Und noch ein Highlight: Der Schiedsrichter kommt aus Palma de Mallorca… ob er per Zoom zugeschaltet oder eingeflogen wird, oder nur dort geboren wurde… wir werden es vielleicht nie erfahren… 😀

Am 25.07. ging es dann morgens früh mit dem neuen (!) Rallyefahrzeug von Münster aus zunächst einmal zum ZIEL. Dort wurde der spätere Fahrer an Bord genommen. START und ZIEL der NOSW Niederrhein Classic liegen nämlich auf kürzester Strecke ca. 40 km entfernt. Wenn man dann getrennt von unterschiedlichen Orten aus anreist und nicht aufpasst, dann kann das schnell schief gehen….

Der NOSW hatte eine corona-konforme Veranstaltung angekündigt. Den Umständen (und den Veranstaltern) ist es zu verdanken, dass diese weitaus überwiegend ohne die typischen Pandemiezutaten ablaufen konnte. In Voerde am Rathausplatz war bei unserem Eintreffen schon eine super Atmosphäre mit vielen Teilnehmern und Zuschauern. Sowas hatte man schon lange nicht mehr erlebt! Im Gegensatz zu den letzten Fahrten in z.B. Oelde und Aachen war auch der Papierkrams hier sehr überschaubar und man konnte sich bei bestem Sonnenschein dem Rallyefahrer-Frühstück widmen.

Die Durchführungsbestimmungen waren auf zwei eng bedruckten Seiten aufgeführt… Einbahnstrassenprinzip, nur doppellinig fahren, Wenden verboten, … das waren die durchaus üblichen Grundrechenarten. Dazu kamen aber weitere Regelungen: Auf Bundesstrassen darf man nur rechts auffahren oder kreuzen – jeden Pfeil darf man NACH der jeweiligen Aufgaben nur einmal vollständig befahren, und: Aufgaben mit Punkten und Strichen enden immer mit einem Strich. Aha. . Noch besonderer der Hinweis: „Chinesenzeichen Nr. 41 muss auf Grund von Vogelschutzmaßnahmen in Richtung Süden verlassen werden“. Schon doof, wenn man sich solche Hinweise nicht direkt notiert und später einfach vergisst…

Um 10.58 Uhr ging es dann los auf die „Piste“ und erst direkt am Start gab es das Roadbook. Ähm… Roadbook? Sowas spiralgebundenes, ggf. auch geheftetes mit den Fahraufträgen? Ja, genau das?! Nun, räusper, bei der NOSW gibt es als „Roadbook“ genau 6 DIN A4 Seiten mit Chinesen- und Kartendarstellungen (jeweils 3 Seiten für eine Etappe). Also für ca. 140 km Strecke insgesamt 6 Seiten und in Summe 102 Fahraufträge… Da braucht der Fahrtleiter in der Tat nichts heften oder gar binden. Dazu kommt die Besonderheit, dass der Fahrleiter hier noch selber zeichnet. Ja, richtig gelesen, die Chinesen und auch die Punkte, Pfeile und Striche in den Kartenaufgaben sind manuell hergestellt worden. Weitere Spezialität: Chinesen und Karten folgen in ihrer Darstellung nicht chronologisch dem Fahrtverlauf – die Chinesen bilden sozusagen das „Gerüst“ und die sehr zahlreichen Kartenaufgaben hängen dann auf den Seiten dahinter. Dazu sind die Aufgaben durchgängig sehr klein und gerade die Karten nicht immer in der besten Qualität dargestellt. Höchste Konzentration war also angesagt!

Konzentration erforderten auch die unfassbar vielen Radfahrer auf der Strecke, die in der Tat durch eine wunderschöne Landschaft führte. Diese Gegend irgendwo zwischen Ruhrgebiet, Niederrhein und Münster(land) hat man so nicht auf dem Schirm, ist aber definitiv nicht nur eine Oldtimerreise wert. Einige alte sehenswerte Gebäude und Schlösser sowie nette Lokale im Grünen konnten wir ebenfalls erspähen. Leider gefällt es hier auch den besagten Radfahrern, die an diesem Tag die Strecke wirklich an vielen Stellen gefährlich machten. Viele Radfahrer sehen sich ja nicht nur als Verkehrsteilnehmer, sondern als moralisch überlegen an.

Abgesehen von der schönen Strecke wurde einem unterwegs einiges geboten…. Überlappungen, Punkt-Strich-Punkt-Skizzen, Parkplatzhektik, etc. Die Ausführungen im Fahrerbrief wirkten relativ harmlos, hatten es aber in sich. Gerade die Regelung, dass Bundesstrassen nur nach rechts (oder geradeaus) aufgefahren werden durften, sorgte in Aufgabe 23 für erhöhten Kopfschmerz. Am Ende hatten wir dann eigentlich die richtige Lösung – sind diese aber dann in die falsche Richtung gefahren…. Mist. Besonders schön auch der Parkplatz inmitten von Schermbeck. Dort ein „Baumaffe“ versteckt in einer Obstkiste. Ein Klassiker des Ori-Sports! Nachdem in Aufgabe 23 und nachfolgend etwas Hektik und Hochtemperatur im Fahrzeug aufgekommen war, beruhigten sich danach die Gemüter wieder etwas. Zur Mittagspause fehlten uns aber ca. 10 km Strecke im Abgleich von Tripmaster und der genannten idealen Strecke.. oh oh…

Die kurze Mittagspause fand zwar mal wieder an/in einem Autohaus (Opel gibt es noch??) statt, aber das war kein Problem dieses Mal. Schönes Wetter und ein Wurststand sind schon ok. Vorher mussten wir aber auch in der Klasse TS zwei Aufgaben der merkwürdigen Art absolvieren. Frage: „An wie vielen gelben Ortseingangschildern sind Sie heute vorbei gekommen?“ – Antwort “ Wir sind Klasse TS“ – „Gilt auch für Sie“. Neue Antwort: „Mir doch egal“. 23 ist ihre Zahl… Und es gab noch eine Abstandsprüfung für den Fall des Gleich-stands… leider gab es jeweils keine Auflösung.

Die Länge der Pause konnte man selbst bestimmen, und so ging es recht schnell wieder auf in die Etappe 2. Hier wirkten die Aufgaben erst einmal „einfacher“ als in Etappe 1… aber obacht, wir sind ja hier bei HaPe in der Klasse TS mit 4 Teams insgesamt, die sich das (zu-)trauen…

Am Ende kommen wir mit deutlicher Vorzeit im ZIEL in Reken an. Hier gibt es ein schönes Lokal im Grünen mit ausreichend Parkmöglichkeiten. Grillbuffet, das stimmt mal wirklich. Schönes Essen, schöne Atmosphäre! Aber, bei den obligatorischen „Benzingesprächen“ erfährt man schon von anderen Teilnehmern, was man denn alles falsch gemacht hat oder hätte machen können… Fahren nach Natur oder doch nicht.. große Schleife, etc. Einmal wie immer: Gutes Gefühl – mieses Ergebnis. Entgegen der Ankündigungen sollte es dann doch noch eine Auswertung und Siegerehrung am Veranstaltungstag geben. Und es setzte wieder das Warten ein… 19 Uhr ist eine absolut sozialverträgliche Zeit, aber es war Sonntag und ein wenig der Rückfall in Vor-Corona-Zeiten. Es gab zwar einen Aushang je Klasse, aber keine Musterbordkarte und keine Musterlösung für die Aufgaben. Immerhin haben wir PLATZ 3 in der Klasse gemacht… ähmm öhmm… mehr als 3 Teilnehmer sind in unserer Klasse aber auch gar nicht ins Ziel gekommen.. ojeeeee. Wir trösten uns damit, dass es beim NOSW kleine hässliche Pokale gibt 🙂

Fazit: Sehr schöne und stimmungsvolle Veranstaltung auf tollen Strecken mit dem „besonderen Etwas“. Die Aufgabenstellungen sind in allen Klassen spezial-speziell und mit deutlich erhöhtem Anspruch. Wenn mit über 200 Punkten noch Klassensiege erreicht werden, dann ist das eine deutliche Sprache. Ebenso eindeutig haben wir unsere eigenen Ansprüche nicht erfüllt und in der TS-Klasse den dritten und damit auch letzten Platz belegt. 24 Fehlkontrollen sind ein Desaster und ich kann noch nicht einmal sagen, wo und woran es denn gelegen hat (keine Musterlösung bisher). Man muss sich auch fragen, ob eine eigene Klasse für ganze 3-5 Teilnehmer wirklich Sinn macht. Diese Veranstaltung würde auch meiner Sicht deutlich gewinnen, wenn die Aufgaben in allen Klassen etwas entschärft und dem bekannten Standard angeglichen würden, das Flair darf gerne bleiben. Wo jetzt der Schiedsrichter aus Mallorca war, konnten wir nicht in Erfahrung bringen, auch gab es keine Gelegenheit für „Einsprüche“. Aber vielleicht werden die Musterlösungen ja noch veröffentlicht…

Immerhin: das neue alte Auto hat gehalten auf seiner ersten Ralllye. Ist halt ein BMW 🙂

Nachtrag:
Die Musterbordkarten und „Musterlösungen“ werden ein paar Tage nach der Veranstaltung per Mail (nur) an die Teilnehmer der jeweiligen Klasse verschickt. Soweit, so gut. Nur: auch diese Unterlagen sind mit der Hand gezeichnet und sehr schwer nachvollziehbar. Die Kontrollstellen sind in den Karten zwar mit Fahrtrichtung vermerkt, aber nur in ihrer aufsteigenden Reihenfolge. Der Abgleich mit der eigenen Bordkarte/Lösung ist somit erschwert. Einige Fehler kann ich erkennen oder nachvollziehen, andere Lösungen blieben mir schleierhaft (z.B. Kontrollen 3+4 in Aufgabe 8, da kreuzt man doch nach Musterlösung? Warum muss in Aufgabe 13 die Kontrolle 6 angefahren werden, etc. etc.). Ich denke schon, dass korrekt ausgewertet worden ist. Aber wenn man schon so eine schwierige Aufgabenstellung fährt, dann möchte man auch aus seinen Fehlern lernen und diese nachvollziehen können. Ohne jegliche Erläuterungen und nur mit diesen handgezeichneten Kontrollstellen (merke: ohne die Idealstrecke einzuzeichnen!) ist das nicht möglich. Vielleicht ist das der Zeitpunkt, einmal den Herrn in Mallorca zu kontaktieren, aber ehrlich: kein Bock. Somit kann ich gut nachvollziehen, warum in der Klasse TS hier in Schermbeck eigentlich niemand mehr nennt. Werde ich auch nicht mehr tun. Schade eigentlich, der Rest der Veranstaltung war sehr gut gelungen.