Die Emsland Classic in Lengerich (Emsland) bildet dieses Jahr für uns den Abschluss im Classic Revival Pokal. Lange Zeit herrschte Unsicherheit, ob diese Fahrt anno 2021 überhaupt stattfindet. Der Veranstalter tat sich wohl zunächst etwas schwer damit, unter irgendwelchen Corona-Regeln zu organisieren. Umso schöner, dass die Fahrt dann aber doch stattfand. Allerdings war auch hier, ähnlich wie bei der Westfalen-Lippe Fahrt eine Woche vorher, das Teilnehmerfeld etwas überschaubar. An zu einfachen Aufgaben kann es in Lengerich aber nicht liegen (eher umgekehrt), denn bekannter Weise war das Niveau in den Vorjahren extrem hoch gewesen. Ich sage nur: Ortsdurchfahrt in Haselünne, legendär. Erst 2019 fand der Veranstalter zu einer ausgewogenen Mischung in den Aufgaben. Insofern waren wir gespannt, wie die Fortsetzung heuer aussehen würde.
Für die Anfahrt nach Lengerich im Emsland muss man etwas mehr Zeit einplanen und so startete die Anreise bereits am (sehr) frühen Sonntag morgen, da waren die Straßen zum Glück noch sehr leer. Am „Startlokal“ Autohaus Lampa herrschte bei unserem Eintreffen bereits Hochbetrieb (die bekannte senile Bettflucht der Rallye-Genossen…). Allgemeine Unterlagen gab es direkt, Roadbook für die Fahrt dann 15 Minuten vor dem Start. Soweit alles bekannt und wie erwartet.
Erwartet hatten wir auch eine erste GLP direkt am Start „rund ums Autohaus“ bei Lampa. Aber: keine Lichtschranken zu sehen. Aha. Also ein eher entspannter Start? Mitnichten! Denn als man dann 15 Minuten vor dem Start das Roadbook bekam, da stellte sich heraus. doch direkt eine GLP am Start, aber keine Kurz-WP, sondern eine über 17 km mit drei Sollzeiten und über vier komplexere Kartenaufgaben hinweg. Da war der Beifahrer schlagartig wach, denn auf die Schnelle und damit unter Zeitdruck musste der Rallyecomputer noch programmiert werden.Unter Stress gelingt das immer besonders… ähm… gut 🙂
Start nach Funkuhr und dann über die Seiten V1.1 bis V1.4. nach Kartendarstellung mit roten Pfeilen. Die Herausforderung lag hier nicht nur im Sollzeitfahren, sondern auch im gleichzeitigen Finden der Strecke und Aufschreiben der Kontrollen. Bereits nach wenigen Kilometern kamen einem auch hier wieder diverse Fahrzeuge aus allen Himmelsrichtungen entgegen. An den drei „Lichtschranken“ A, B und Ziel-GLP hatten wir jedoch ausreichend Vorzeit. Ziel-GLP lag aber fies hinter einer Kurve platziert. Hier kam nun auch in 2021 eine spezielle Spezialität der Emsländer zum Tragen: zum einen wurden bei den GLP nicht die normalen Rallyeschilder verwendet, sondern diese kleinen gelben Schilder mit A, B, … – und vor allem, es wurde wieder mit Fake-Messungen gearbeitet. D.h. an den markierten Stellen konnte eine Messung erfolgen, musste aber nicht. Bei Messpunkt B ging der Veranstalter soweit, hier tatsächlich ein Gerät zu postieren, das aber nicht angeschlossen war. Am Ende des Tages stellte sich heraus, dass in der Aufgabe 1 tatsächlich nur Messpunkt A echt war, und B und Ziel ein Fake. Der Sinn dieser Übung erschließt sich mir nach wie vor nicht, die Organisatoren haben daran aber offenbar viel Spass. Nun, er sei ihnen gegönnt.
Nach diesen ersten aufregenden Minuten konnten wir dann den Rest der Aufgabenstellung genauer studieren. Wie 2019 gab es die Chinesendarstellung, die mit einigen Ori-Aufgaben ergänzt wurde. Diese waren im hinteren Teil des spiralgebundenen Roadbooks platziert. Finde ich eher suboptimal. Ansonsten waren die Unterlagen aber vorbildlich. Fehlerfreie Kilometrierung, eindeutige (wenn auch erkennbar alte) Karten und überall sehr, sehr ausführliche Erläuterungen. Bei jeder potenziellen „Falle“ wurde deutlich auf die „Bestimmungen“ hingewiesen.
Fallen kreiert der Ori-Großmeister aus Lengerich ja bekanntlich vor allem aus Gegenläufigkeiten, weniger aus kürzesten Strecken. Wenn man das weiß, kann man damit eigentlich gut arbeiten. So auch 2021, in vielen Fälen wurde im ersten Teil der Aufgabe eine Spur gelegt, um im zweiten Teil eine Gegenläufigkeit oder ein Kreuzen zu provozieren.
Kurz-Ori Stadtmark: über direkte „kürzeste Strecke“ nicht lösbar. Hier musste man Textexegese betreiben. Denn danaben stand ja auch nur: „… einmal in voller Länge befahren…“
Kurz-Ori Bramhar: Hier waren direkt zwei Baumaffen versteckt. Der zweite hing in dem versteckten Verbindungsweg. Solche Wegführungen sind großen Ori-Kino!
Neben den „großen“ Orientierungsaufgaben in der Anlage gab es noch zwei „kleine Ori“, ähnlich wie am Vortag in Rothenuffeln. Auch hier musste man aufpassen, genau lesen und sehr genau hinschauen. Durch das Emsland näherten wir uns dann auf einer längeren Transportetappe dem Zwischenziel in Meppen. Vorher aber noch eine Ori „Hemsen-Kraftwerk“. Die war verdächtig einfach…
Für die Mittagspause selber hatten die Veranstalter dieses Mal etwas ganz besonderes ausgewählt: Den Fun- bzw. auch Racepark in Meppen. Ein alter, sehr imposanter Kraftwerkkomplex, der jetzt aber zum Freizeitvergnügen dient. Die Bimmer-Fraktion hatte sich hier diese Jahr schon einmal zum Tuning-Treffen verabredet. Nun gab es hier nicht nur die Mittagspause in dunkler Atmosphäre (Essen: „so lala“), sondern auch im direkten Anschluss die nächste WP mit mehreren, haha, Zeitmessungen.
Mit dem Restart um 14.44 Uhr fuhren wir dann die GLP 2 über 600 Meter durch das alte Kraftwerk. Die einzelnen Sollzeiten waren 25, 20, 22, 13 und 10 Sekunden von Messpunkt zu Messpunkt. Dabei musste man noch so einen alten kugelartigen Speicher (?) umrunden. Aber, natürlich gab es auch hier wieder Fake-Lichtschranken. Von den fünf angekündigten Messungen waren am Ende nur drei „real“. Als weiteres „Schmankerl“ stand kurz vor Messpunkt C auch noch ein Baumaffe am Wegesrand…
Weitere Delikatessen direkt im Anschluss: Die Befahrung der Hünteler Schleuse und die Ori-Aufgabe „Hüntel-Hemsen“: hier wurde eine recht exzessive Gegenläufigkeit zur Vormittagsetappe provoziert. Sehr gut gemacht.
Auf der Rückfahrt nach Lengerich ging es dann im gleich Stil weiter. Hier gab es jedoch – im Unterschied zur Etappe 1- gleich drei ZK mit Fahrzeiten von 60, 55 und 20 Minuten. Waren die 60 Minuten sehr großzügig bemessen, so kam man bei der Zielanfahrt mit den vergebenen 20 Minuten doch etwas in Zeitnot.
Noch größere „Not“ entstand jedoch, zumindest bei mir, in der vorletzten Ori-Aufgabe „Teglingen“. Hier war die Grundkonstruktion mal zur Abwechslung nicht primär auf Gegenläufigkeit angelegt, sondern auf kürzeste Strecke. Soweit, so fies. Kürzeste Strecke ist nun bekanntlich nicht meine Stärke. Aber, hier hatte ich die Falle durchaus erkannt. Ja, im Prinzip schon. Bei der nachfolgenden Ausarbeitung der Strecke muss ich jedoch einen Blackout gehabt haben. Anders kann ich mir den Totalausfall bei R und X nicht erklären. Nähere Details spare ich mir hier, das wäre zu peinlich. Da fährt man die ganzen schweren Aufgaben fehlerfrei und dann sowas. Unterzuckerung oder Dehydrierung, oder das Rallye-Wochende war dann doch etwas zu lang… 🙁
Im Lampaschen Autohaus gab es dann nach der Zielankunft wieder das leckere Kuchenbüffet. Dazu emsländische Spezialität: Käse und Salami auf Rosinenbrot! Die Musterlösung und Musterbordkarten der Etappe 1 hingen sehr schnell, Etappe 2 dauerte erkennbar länger. Bei den Zeiten gab es die große Erkenntnis, dass es am Ende nur vier Wertungen gab (der Rest war Fake) – und Herr Behrensdorf ist in WP 1 eine schicke „0,00“ gefahren. Sehr schön. Weniger schön natürlich der Blackout des Beifahrers, was uns an dieser einen Stelle zwei drei Fehler und damit 10 9 Punkte einbrachte (der eine Fehler wurde auch noch doppelt bestraft, aber je Fehler gab es „nur“ 3 Fehlerpunkte). Damit war eine gute Platzierung natürlich im Eimer. Mit Platz 4 in der Klasse und Platz 6 gesamt (touristisch) sind wir leider unter unseren Erwartungen und Möglichkeiten geblieben, was für reichlich Frust auf der Heimfahrt sorgte.
Fazit:
Der MSF Lengerich hat das Konzept aus 2019 erfolgreich weitergeführt und zumindest für die Gruppe A (touristisch) anspruchsvolle, aber machbare Aufgaben ausgearbeitet. In den Fahrtunterlagen steckt erkennbar sehr viel Arbeit, die Erläuterungen sind vorbildlich. Die Streckenführung über ca. 140 km war landschaftlich sehr schön, auch wenn der Straßenzustand überwiegend grauenhaft war. Mittagspause und GLP2 am Kraftwerk waren ein tolles Highlight.
Auswertung und Ergebnisse waren durchaus noch zeitnah fertig und gaben auch keinen Anlass zu Protesten (die hier übrigens „weder üblich noch gerne gesehen sind“). Wenn man hier Fehler macht, ist man selber Schuld.
So, ich gehe jetzt noch eine Runde weinen 🙂