Die 5. ADAC Zurich Westfalen Klassik in Bad Sassendorf, die eigentlich erst die vierte gewesen ist, da sie im letzten Jahr Corona bedingt ausgefallen war, wurde 2021 als FIVA World Rally Germany ausgeschrieben (Rallye ohne `e´ gemäß der offiziellen Veranstaltungsbezeichnung).
Wow, was für ein klangvoller Titel und was für ein stolzes Nenngeld (knapp 1.500 Euro). Nun ja, immerhin dauert dieser Event ja auch 4 Tage! Meine Erwartungen waren entsprechend hoch, als mich meine Fahrerin Karola Graefer fragte, ob ich für diese Rallye auf ihrem „heißen“ Sitz im VW Golf Cabrio Platz nehmen wolle. Zur Vorab-Information hatte ich die Bordbücher der letzten Ausgabe dieser Veranstaltung studiert und freute mich auf zahlreiche knifflige Sonderprüfungen.
Doch der Reihe nach. Papierabnahme und technische Abnahme wurden am Mittwochvormittag erledigt und wir freuten uns über eine schöne Rallye-Weste, sowie ein Poloshirt und ein paar weitere Kleinigkeiten, die schon einmal für gute Stimmung sorgten. Als ich jedoch das Bordbuch studierte, war meine Enttäuschung ziemlich groß: ganze 13 Sonderprüfungen sollten an 4 Tagen gefahren werden, noch dazu augenscheinlich recht einfache, da es nur Start und Ziel gab. Nix war es mit verschachtelten WP’s, wo z.B. das Ziel einer WP gleich der Start der zweiten WP ist. Egal, jetzt hieß es auf die Hundertstelsekunde genau die Lichtschranke und/oder den Druckschlauch treffen, um die geforderte Zeit möglichst exakt einzuhalten.
Kurioserweise durften die Teilnehmer am Mittwoch zwischen 13:01 Uhr und 15:05 Uhr ihre Startzeit frei wählen, bevor es auf die erste Etappe zum Möhnesee und zurück ging. Herrliches Chaos herrschte somit am Start, eine Wartezeit von über einer Stunde einbezogen. „Das ist halt FIVA,“ meinte meine Fahrerin und dieser Satz sollte sich an den folgenden Rallye Tagen zum geflügelten Wort entwickeln, das immer dann Anwendung fand, wenn nach unserem Geschmack von Veranstalterseite etwas nicht so klappte, wie wir es erwartet hatten und es von anderen Rallyes kennen…
Da war zum Beispiel das erste No-Go: eine DK (Stempelkontrolle), die der Veranstalter an einer mehrspurigen Hauptstraße aufgestellt hatte. Ziemlich gefährlich, insbesondere für die schönen Vorkriegsfahrzeuge. Das muss nicht sein! Allerdings führte die Route über eine richtig schöne Strecke und nach der Kaffee-Pause hatte man sogar die Möglichkeit, die Sperrmauer des Möhnesees von innen zu besichtigen.
Ein weiterer Kritikpunkt waren etliche Fehler im Bordbuch, wie z.B. die falsche Darstellung von Chinesen Zeichen (Kreuzungssymbolen, bei denen eine Straße fehlte oder eine Kurve als Gerade gezeichnet wurde und/oder falsche Kilometerangaben gemacht wurden). Teils sehr lange Schlangen vor einzelnen Prüfungen trübten die Stimmung dann doch ein wenig. Weil wir nicht meckern wollten, haben wir uns u.a. über die Kuchengabeln, die als „Werkzeuge“ bei der Mittagspause am Freitag dienten, köstlich amüsiert. Auf unsere Frage, warum das so sei, bekamen wir die Antwort, dass das Essen ja schließlich Fingerfood sei. OK! Kartoffelpüree als Fingerfood habe ich zum ersten Mal gegessen.
Ob eine Mittagsrast in einem Autohaus einer solchen hochwertigen Veranstaltung würdig ist, sei einmal dahingestellt. Die Angestellten bei Mercedes Witteler in Brilon gaben sich jedenfalls sehr viel Mühe und man musste auf wirklich nichts verzichten.
Die Etappe am Donnerstag von Bad Sassendorf nach Winkhausen im Sauerland und zurück beinhaltete eine WP auf dem ADAC Fahrsicherheitszentrum in Rüthen. Da hätte man viel mehr machen können.
Am Freitag führte eine landschaftlich ebenfalls sehr schöne Strecke alle Teams nach Oelde. Im dortigen „Vier Jahreszeiten“ konnte man sich sehr wohl fühlen, selbst wenn der Platz in der schönen Location für die vielen Teilnehmer eigentlich sehr beschränkt gewesen ist. Dafür entschädigte ein Spaziergang rund um den kleinen See. Zeit genug hatten wir ja, denn die Mittagspause wurde vom Veranstalter kurzerhand von 80 Minuten auf sage und schreibe 2 Stunden ausgedehnt! Klar, sonst wären die Autos auch viel zu früh wieder in Bad Sassendorf eingetroffen. War das nicht schon bei der Erstellung des Zeitplans offensichtlich?
Der Schlussakkord am Samstag führte uns und die anderen Teilnehmer dann noch einmal in Richtung Sauerland. Absolute Highlights waren hier die Stempelkontrollen vor historischen Schlössern, wo es sich die Grafen oder Freiherren samt ihrer Familien nicht nehmen ließen, die vielen wunderschönen Oldtimer beim Vorbeifahren zu bestaunen. Die Sonderprüfung auf dem Gelände der Warsteiner Brauerei war schön gemacht. Aber auch hier hätte man viel kniffligere Fahraufgaben stellen können…
Vorbei an der Sauerländer Edelbrennerei in Rüthen, wo man ein sehr leckeres Stück Kuchen und einen Kaffee genießen konnte, ging es schließlich zurück nach Bad Sassendorf. Alle freuten sich auf den Abschluss Abend mit Siegerehrung.
Am Ende belegten Karola und ich einen guten 3. Platz von 20 Teilnehmern in der Klasse und in der Gesamtwertung landeten wir auf Rang 10 von insgesamt 95 Teilnehmern. Damit waren wir ganz zufrieden.
Resümée: schöne Oldtimer, schöne Landschaften, schöne Häuser an der Strecke, viele begeisterte Zuschauer in den Dörfern, viele und lange Kaffee-, Mittags- und Nachmittags-Pausen mit Speisen und Getränken, zwischendurch viel Leerlauf und Warterei – aber vielleicht muss das ja bei einer FIVA-Veranstaltung so sein.
Autor: Jochen Schnell