Sehr früh in meiner „Oldtimerrallye-Karriere“ habe ich Bekanntschaft mit den Hünengräbern gemacht. 2011 und 2012 war man noch jung und naiv und kannte den ganzen Rallye-Kalender noch nicht. Neben touristischen Scherzfahrten stand dann auch mal zum Ausprobieren norddeutsche Hardcore-Ori auf dem Programm.

Rechtsanwalt Dr. Maierrrrr… hat das sehr korrekt, aber auch immer sehr anspruchsvoll gestaltet. Eine wunderschöne Strecke mit ebenfalls sehr schönen Pausen in stilvollen Landgasthöfen. Aber eben auch Hammer-Ori. Ich erinnere mich noch gut. Gefühlt lagen mehr rote Punkte neben der Strecke als auf den Strassen. Nach dem Ergebnisaushang konnte ich es nicht glauben und bin dann zu RA Dr. Meier, um mir die Fehler (seine! dachte ich…) erklären zu lassen. Jedesmal kam ich „bedröppelt“ (so sagt der Aachener) zurück. Leider hatte er jedes Mal Recht behalten. Kniffelig, aber immer sauber. Anwalt halt.

Anschließend sind die Hünengräber aus meinem Fokus verschwunden. Es gab Veränderungen, RA Dr. Meier nicht mehr im Amt, ein neuer Fahrtleiter. Nur noch Ausfahrt. Was? Nur noch Ausfahrt in Delmenhorst? Kaum zu glauben. Aber dann gab es auch wieder eine „sporttouristische Ausfahrt“. Anderswo ist das Tourensportlich.

Zudem kann ich hier wieder Herrn Kirsche zitieren: den kompakten Veranstaltungen gehört die Zukunft. Auch die „Hünengräber“ sind keine 7:00 bis 22:00 Uhr-Veranstaltung mehr, sondern umfassen knappe 80 km mit Start ab 12:31 und Zielankuft ab 15:16 Uhr. Somit kann man auch die Anfahrt aus Münster bzw. Dortmund „schultern“.

10 Tage vor dem Start bekommt man schon ein großes Info-Paket per Email: Starterliste, Corona-Regeln, Ausführungsbestimmungen, … der Blick auf die Nennliste zeigt, dass der OC Delmenhorst eine sehr eigene Klasseneinteilung praktiziert, die sich nicht an die üblichen FIVA-/ADAC-Regeln hält. D.h. bei jüngeren Fahrzeugen wird etwas stärker aufgesplittet, die älteren Teilnehmer mehr zusammen gefasst. Also, auch hier dominieren die Typen der 1980er bis 1990er Jahre. Immerhin fast 40% der Teilnahmer haben sich für die sport-touristische Fahrt entschieden. Wobei „sport-touristisch“ auch so eine Delmenhorster Eigenart ist.

Dank der ausführlichen Ausführungsbestimmungen kann man sich vorab geistig-seelisch-moralisch auf die Ori-Aufgaben einstimmen. Was man da so liest… Rote Aufgabenteile, komplett zu durchfahren, nur doppellinig, Kreuzen und Gegenverkehr verboten, Besonderheit: numerische Reihenfolge beachten, OHHHH: Pfeilwurm! Fischgräte! Das weckt ungute Erinnerungen an Aachen… aber bei ca. 80 km Gesamtstrecke wird wohl keine lange Fischgräte des Grauens lauern, hoffen wir. Man muss aber schon sagen, die Aufgabenstellungen für die Ori sind durchaus komplex, einiges muss beachtet werden. Aber was meint der Fahrtleiter mit dem Hinweis „Auf die Lösbarkeit der Aufgaben ist zu achten!“ – Ist das nicht die Verantwortung des Fahrtleiters….?!

Durch die Startzeit um 13:32 Uhr artete die Anreise nicht zur Nachtetappe aus. Allerdings doch zum Stress, da die A1 wieder einmal voll war und voller Baustellen. Daher schon vor Lotte-Osnabrück an der Raststätte runter und über Schleichwege am Stau vorbei. 160 km Anreise in knapp über 2 Stunden ist heutzutage schon ein guter Schnitt auf den kaputten deutschen Autobahnen. Da braucht die grüne Verbotspartei gar kein Tempolimit einführen.

Start und Ziel waren wie schon 2012 am Autohaus Mock in Delmenhorst. Dort gab es erst einmal ein Frühstück Mittagsimbiss mit Gulaschsuppe und kleinen Dessertvariationen. Auffällig wenig Ordner und entspannte Treffen-Atmosphäre vor Ort. Das Roadbook gab es 15 Minuten vor dem Start und los ging es in die Runde „durch die Hünengräber“ (wir haben leider keines gesehen…) mit einer Sollzeitprüfung: 20 Meter in 7 Sekunden mit großer Uhr und vor Publikum. Bei Durchfahrt der zweiten Lichtschranke zeigte die Uhr für uns „6:82“ an, also eine Differenz von 0:18 Senkunden – das ist schon sehr gut, vor allem wenn der Fahrer in einem Fahrzeug sitzt, mit dem er noch nie vorher gefahren ist!

Man konnte sich gar nicht erst so richtig eingrooven, da kamen schon die ersten Denksport- und Zeitaufgaben. Am ADAC gab es die erste Orientierungsaufgabe auf dem Parkplatz. Nicht wirklich schwer, aber Holzauge sei wachsam (auch für später)… Hier muss man erwähnen, dass Einbahnstrassenprinzip und Kreuzungsverbot den ganzen Tag über in allen Kartenaufgaben galt. Späteres Sich-Selbst-Entgegenkommen war also mit Strafpunkten belegt!

Vom ADAC ging es weiter zum TÜV. Dazwischen hing noch ein gemeiner Baumaffe. Geschickt weit rechts platziert, wenn alle Blicke nach links gehen. Oh, kuck mal, die Zeitprüfung! und zack! 5 Punkte auf dem Konto. Wir allerdings nicht, denn mein Fahrer war in dieser Hinsicht einsame Spitze. Alle Baumaffen gesehen, auch wenn sie im Stadtgebiet hingen. Der Beifahrer sollte sie allerdings dann auch alle aufschreiben… hüstel… dazu später mehr.

Am bzw. auf dem TÜV ging es aber nicht um Baumaffen, sondern um Lichtschranken. Rund um das Gebäude in einer Art Oelde-Gedächtnisprüfung mit 3 Ziel-Lichtschranken. Hier musste man schon aufpassen und durfte nicht „bummeln“. Nach einer Runde um das Gebäude ging es nach Bordbuch weiter. Raus aus Delmenhorst und rein in die wunderschöne umgebende Landschaft.

Gutes Stichwort: die Streckenführung war wirklich sehr gut gewählt und sehr, sehr schön. Über kleine und kleinste Strassen durch die Landschaft. Aber auch in den Orten wusste der Fahrtleiter mit der Streckenführung zu überzeugen. Immer wieder kleine oder größere Schlenker, an historischen Kirchen, Wasserschlössern und Amtssitzen vorbei. Auch wenn das alles „nur“ per Chinese war, so war es doch sehr kurzweilig und nicht ohne Anspruch. Anspruchsvoll gemacht waren insgesamt auch die Fahrtunterlagen. Alles blitzsauber, gestochen scharf und ich habe selten, eigentlich noch nie, so ein gut gemachtes Roadbook in den Händen gehalten. Hier ist die Benchmark, liebe Fahrtleiter mit den kopierten und getakkerten Zetteln. Jede Seite im Roadbook fast wie einlaminiert, Kartenaufgaben ein-eindeutig!

Die erste richtige Orientierungsaufgabe (nach dem ADAC-Warmlaufen) kam dann erst nach ca. 1 Stunde Fahrzeit als Fahrauftrag Nr. 66. Auch hier war der Übergang vom Chinesenroadbook zu den Skizzen einwandfrei gelöst und gut zu finden. Danach noch am Amtssitz inkl. DK vorbei und in Harpstedt nicht den I. sondern den II. Kirchweg genommen. Danach ging es in ein historisches Scheunenviertel mittels einer keinen Chinesenrallye… „Hier bitte noch einmal halten und ein Foto vom Baumaffen machen, sonst habe ich nachher zu wenig Bilder für den Bericht…“ 🙈

Kurz danach wartete die ZK 1 auf uns… hier mussten wir die geringe Vorzeit abwarten und los ging es direkt in die 2. Etappe. In diesem zweiten Abschnitt hatte der Fahrtleiter ganze sechs Orientierungsaufgaben platziert. Und die hatten es in jedem Fall in sich. Die Dreiangel um Amerika war noch „recht einfach“, aber schon hier waren, ähnlich wie 2012, fast mehr Punkte neben als auf der Strasse.

Bei Stiftenhöfte bestand die Aufgabenstellung nur aus Punkten.

Direkt im Anschluss die „Hammer-Aufgabe“: Nr. 5a und 5b in Klein-Henstedt waren eine Ori-Delikatesse sozusagen. Kartenfehler am Start, aber ein sehr böser. Dann den Pfeil nicht komplett fahren. An der DK ein „N“ kaufen bei der netten jungen Dame. Dann einmal die Schleife zur 1. Dann die DK nicht mitnehmen. Über den Parkplatz. 20 negativ. Dann höllisch aufpassen, DK nicht anfahren, da der Strich näher dran – und noch einmal die Schleife, dieses Mal aber die 20 aufschreiben. Dann noch ein „N“ kaufen und bis zum E die kürzeste Strecke ausmessen. Anspruchsvoll, aber sauber ohne nachträglichen Diskussionsbedarf. Wenn man hier einen Fehler macht ist man selber Schuld und nicht der Fahrtleiter.

Danach folgten noch Fischgräte und Pfeilwurm, zwei nicht ganz so gern gesehene Aufgabentypen. Insbesondere die Fischgräte sorgt bei Rallyepiloten immer wieder für erhöhten Pulsschlag und Panikattacken.

Also, wenn das so eine 20 km-Fischgräte mit „Kirschgeschmack“ ist (wie in Aachen mehrfach verkostet), dann m.E. zu Recht. Hier, bei den Hünengräbern, aber mega-fair gemacht und somit eine sehr schmackhafte Würzung.

Mit der Pfeilwurmaufgabe hatten wir am Ende doch mehr Probleme als erwartet (2 Fehler gemacht). Zum eine war die Strecke zum A kilometriert und man musste daher nicht kürzeste Strecke fahren. Dann wieder ein Kartenfehler um den Baum herum. Und dann doch noch mal kürzeste Strecke nicht gesehen.. Mist, Mist, Mist.

Bei dieser ganzen Kurverei verging die Zeit fast wie im Flug und die Uhr tickte erbarmungslos runter. 85 Minuten für Etappe 2 und nach Delmenhorst zurück. Kleiner Check mit dem Bordbuch und die Erkenntnis: das wird zeitlich aber verdammt knapp! Also Gummi geben, soweit möglich. Leider ging es dann zum Schluss natürlich wieder durch den Ort (wo auch wieder Baumaffen lauerten…).

Bei der Ankunft an der finalen Skizzenaufgabe, wieder beim ADAC, hatten wir noch ganze 30 Sekunden Restfahrzeit übrig. Nochmal Mist. Jetzt keinem Zeitdruck erliegen. Gerade noch rechtzeitig erkannt, dass ja das Einbahnstrassenprinzip die GANZE Strecke über gilt… und weiter ins Ziel, wo ein anderer Teilnehmer im Riesentruck lustig-locker die Einfahrt blockierte. Die Herrschaften mussten erstmal Fotos machen! Hier agierten Fahrtleiter und Team sehr souverän und entgegenkommend.

Der OC Delmenhorst veranstaltete die „Hünengräber “ 2021 nicht als kontaktlose Fahrt. Also begann nach der Ankunft im Ziel das Warten auf die Aushänge und Ergebnisse, versüsst durch Kuchen und Kaffee Bier. Die Musterbordkarten hingen schnell, wenig später auch die Streckenpläne, d.h. Musterlösungen. Nur die Ergebnisse der beiden Zeitprüfungen und die Auswertung, die liessen auf sich warten… und warten… und warten…

Hier fragt man sich dann, ob dieser Rückfall in Vor-Corona-Zeiten eigentlich sein muss.

Am Ende gibt es die Siegerehrung gegen 20 Uhr, was immer noch ok ist, wenn man an andere Veranstaltungen denkt… Und siehe da: Mit Platz 1 in der Klasse und Platz 2 gesamt sport-touristisch können wir auf unserer ersten gemeinsamen Fahrt sehr, sehr zufrieden sein. Trotzdem nagt es am Beifahrer, wenn er blöde Fehler macht:

1) Man sollte die Baumaffen nicht nur fotografieren („93“ im Scheunenmuseum) sondern auch aufschreiben

2) Unter Zeitdruck übersieht man auf den letzten Drücker gerne die kürzeste Strecke

Alle trickreichen Aufgaben (fast) richtig gelöst, vor allem 5a und 5b, darauf sind wir stolz. Dann die Rückfahrt antreten, immerhin zwei bzw. drei Stunden noch nach Münster bzw. Dortmund.

Fazit:

Für mich bisher eine der besten Veranstaltungen 2021. Alles sehr professionell gemacht. Bestes Bordbuch, schöne Strecke, kniffelige aber eindeutige Aufgaben, schöne Atmosphäre, nette Menschen, transparente Musterlösung. Auch hier gilt: in der Kürze liegt die Würze. Ca. 80 km über 165 Minuten waren ausreichend. Wir haben nichts vermisst. Bis auf…

Verbesserungspotenzial:

Die Verpflegung war eher ausreichend bis befriedigend und in der Auswertung der Zeitprüfungen war der Wurm drin. SZP 1 hatten wir laut Uhr am Start eine Differenz von 0:18, gewertet wurden aber 0:53. Warum auch immer. Geklärt wurde das nicht. Zum Glück hatte das ja keinen Einfluss auf die Ergebnisse…