Die ADAC Westfalen Lippe Fahrt hat eine gewisse besondere Stellung im jährlichen Veranstaltungskalender. Zum einen wird sie direkt von einem ADAC Regionalclub veranstaltet, zum anderen hat sie eine lange Historie. Nach eigener Darstellung ist sie nämlich die drittälteste noch durchgeführte Motorsportveranstaltung der Welt (Quelle: ADAC OWL). Wie in meinem Buch (Vgl. Seite 21ff.) beschrieben, bildet sie somit in idealtypischer Weise die Historie des Rallyesportes und in Folge auch des Oldtimer-Sportes ab: Frühe Blütezeit in den 1920er Jahren (Deutschland wird zur Autonation, viele Veranstaltungen, Begeisterung der Massen, Nürburgring 1927, etc.), auch nach dem Krieg große Popularität in den 1960er bis 1970er Jahren. Dann große Krise mit dem Aufkommen der „Umweltschutzbewegung“. Ausweichen auf einzelne „Rennstrecken“, wobei aber der ursprüngliche Charakter vollständig flöten geht. Lückenhafte Durchführungen in den 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre – dann Wiedergeburt als Veranstaltung für Oldtimer – mit inzwischen eigener Tradition.

Wir selber konnten 2012, 2018 und 2019 an dieser Fahrt teilnehmen. Mit jeweils gemischen Eindrücken. So überwiegten in den Jahren 2012 und 2018 die Aufenthalte in Autohäusern. 2012 waren wir noch totale Anfänger und landeten auf Platz 35. Im Jahr 2018 hatte uns „Schummel-Gustav“ auf eine falsche Fährte gelockt, was eine bessere Platzierung verhinderte – 2019 war die Fahrt erkennbar „schöner“ gestaltet und wir konnten Platz 5 Gesamt erreichen (Bericht). Geblieben war aber eine starke Dominanz der Zeitprüfungen (GLP). Die Streckenführung nach Karte war immer sehr einfach und am Ende kam es (in der tourensportlichen bzw. touristischen Klasse) auf die Wertung der Sollzeitaufgaben an. Die 80. Veranstaltung sollte am 18. April 2020 zum 20. Mal als „Int. ADAC-Westfalen-Lippe-Fahrt Klassik“ veranstaltet werden und wurde wegen „C“ natürlich – wie so viele andere Fahrten – abgesagt.

Die Jubiläumsfahrt zum ACHTZIGSTEN wurde somit verschoben und in 2021 ausgetragen. Und hierfür sollte es einige Leckerbissen geben. Der Start erfolgte im Haus Senne in Augustdorf. Ein lange Zeit sehr militärisch geprägter Standort. Hiervon kündet noch die Adresse: Eine „Generalfeldmarschall-von-Rommel-Strasse“ wird man sonst relativ selten finden. Hier und heute ist dies jedoch der Bezug zur Rallyevergangenheit. Die Bielefelder Senne wurde lange als Truppenübungsplatz genutzt, und nebenbei fanden hier dann auch die klassischen Rallyeveranstaltungen statt. Für die Mittagspause hatte der ADAC eine ähnliche Lokation ausgewählt, die Rennstrecke am Bilster Berg. Nicht ganz so historisch, aber auch sehr passend. Sollte man zumindest annehmen (siehe weiter unten).

Der Rallye Tag begann sehr früh. Bereits gegen 08:15 Uhr sollte die Papierabnahme erfolgen. Schon vorher hatte ich meinen Fahrer ganz aufgeregt auf der Mailbox: „Krächz krächz.. Rauchentwicklung .. krächz… Nebel, alles dicht.. krächz… können nicht starten…“ Na toll. Irgenwie hatte ich es ja im Urin gehabt und bin selber mit einem Oldtimer angereist. An der Oase in der Senne bin ich demnach direkt auf den Teilnehmerparkplatz gefahren. Wir haben dann entschieden, nicht mit dem Nebelwerfer zu fahren, sondern spontan auf ein zuverlässiges Gefährt umzunennen. Also MERCEDES statt BMW. Tja, der gute Stern auf allen Strassen lässt einen halt nicht im Stich 🙂 Damit wechselten wir aber auch von der Klasse 9 in die Klasse 10. Es folgte ein gutes Frühstück in der Oase und die Begrüssung durch die Verantwortlichen des ADAC. Erste Diskussionen und Fragen kamen auf hinsichtlich der Regelung: „Erster Buchstabe des Ortsnamens“ ist bei gelben Ortseingangsschildern aufzuschreiben. Wie ist das nun bei „Bad Meinberg“ und wie bei „Stadt Nieheim“? Am Ende wurde die einzige Stelle, an der diese Regelung zum Zuge kam, in der Wertung neutralisiert. Ich bin nach wie vor für die Regelung „erster Buchstabe auf dem Schild“, ganz egal was da nun steht. Nur so ist ein eindeutig. Es sollte ja eine Durchfahrtskontrolle sein und kein Buchstabenrätsel.

15 Minuten vor dem Start konnte man sich dann das Roadbook für den ganzen Tag am Vorstart abholen. Schnell durchgeblättert… aha, Ablauf im Prinzip wie in den Vorjahren 2019 und 2018… Fahraufträge nach Karte. Dazu vier GLP, diese wie bisher z.T. mit mehreren Messungen. Die ersten beiden GLP folgten Schlag auf Schlag kurz nach dem Start im Hochinzidenzgebiet Augustdorf. Diese Schachtel-GLP waren gut gemacht. Man fuhr eine Schleife durch ein Gewerbegebiet und somit zweimal durch die selbe Lichtschranke. Danach folgte eine Lang-WP mit 14:48 und 16:00 Minuten Sollzeit. Hier wurde eine Schleife durch die Senne gefahren. Leider konnten wir das Sperrgebiet nicht befahren, dafür aber Strassen mit so illustren Namen wie „Panzerring“ 🙂

Bei den Orientierungsaufgaben hatte der Fahrtleiter im Vergleich zu 2019 nachgelegt. Es gab mehr „Fallen“ – das waren heuer Überlappungen und vor allem kleine schwarze Aufgabenteile, die darauf ausgelegt waren, sie zu übersehen. In der Regel sind Fahraufträge in rot gehalten. Hier und heute aber in Schwarz. Das machte die Schwierigkeit aus. Für eine touristisch ausgeschriebene Fahrt war das vollkommen ok. Ich habe aber seit langem nicht mehr so viele Teilnehmer so hilflos rumirren gesehen. Warum auch immer, wir waren immer wieder irritiert, wer gerade von wo aus welcher Himmelsrichtung entlang kam.

In diesem Stil ging es bis zur Mittagspause am Bilster Berg und dann zurück über Horn/Bad Meinberg und wieder nach Coronahausen Augustdorf.

Mittagspause am Bilster Berg ist ein gutes Stichwort. Hier hatte man als Teilnehmer natürlich eine gewisse Erwartung. Zudem es die 80. Fahrt war. Jubiläumsveranstaltung! Jedoch, die Mittagspause am Bilster Berg war eine organisatorische Katastrophe und vom Flair her hätten wir auch in z.B. Detmold auf einem Aldi-Parkplatz Halt machen können.

Es begann mit einer unglaublichen Hektik bei der Einfahrt. Trotz dickem Hinweis auf der Bordkarte „Vorzeit erlaubt“ wartete der Großteil der Teilnehmer offenbar seine Sollzeit ab. Warum auch immer. Aber nicht nur das. Vor uns blockierte ein Teilnehmer mit seinem Fahrzeug (ein klassischer Konkurrent des 190 E aus München) die Fahrbahn. Hupen half auch nicht. Wir mussten links durch die Bankette/den Graben. Ich frage mich immer wieder: was soll dieses asoziale Verhalten? Dafür kann der Veranstalter natürlich nichts. Auch nicht dafür, dass bei der Ziel-ZK an der Mittagspause andere Teilnehmer links vorbei schossen und dann mit Vollbremsung zum Stehen kamen.

Der Rest des Mittagspausen-Desasters geht aber zu Lasten des Veranstalters: Zum Einen haben wir von der Strecke des Bilster Bergs überhaupt nichts mitbekommen. Hier hätten wir schon gedacht, zumindest mal eine Runde über die Rennstrecke fahren zu können. War nicht. Catering war auch… ähm… Es gab eine kleine Pommes-Bude für über 100 Teilnehmer, die waren natürlich total überfordert. Lange Schlange. Dazu war die Currywurst eiskalt und schmeckte auch sonst grausam. Für ein Kaltgetränk sollte man 3 EUR zahlen. Später hiess es dann, man könnte sich das Geld beim ADAC erstatten lassen. Bitte was? Dann wurde noch das Kunststück aufgeführt, auf einer riesigen Parkfläche Stress zu verbreiten und die Teilnehmer lautstark und wild gestikulierend in diverse Parkpositionen zu scheuchen.

Ganz lieblich war auch die Atmosphäre in einer kahlen Halle (am Bilster Berg soll es auch eine Lounge mit Blick auf die Strecke geben) sowie die sanitären Einrichtungen. Mal wieder 2 WC für über 100 Personen.

Die Zeitprüfung fand dann auf einer Art großem, abschüssigem Parkplatz statt und war gut gemacht. 2,5 Runden bergauf und bergab waren nicht so einfach zu fahren.

Insgesamt aber war „der Bilster Berg“ ein Desaster. Dann lieber nicht mit großen Namen werben und positiv überraschen.

De Luxe-Gastronomie am Bilster Berg. Kalte Currywurst mit Geschmack wie Motoröl exklusiv inklusive.

Edles Ambiente im reduzierten neoklassischen Hallen Stil.

Für eine Pipipause am Bilster Berg stehen man und frau gerne mal in der Schlange!

Wieder ein gutes Stichwort: Sehr positiv überrascht waren wir von der Kaffeepause im Kurpark von Bad Meinberg. Hier gab es wirklich schönes Flair, Publikum und einen grandios aufgelegten Streckensprecher. Der Corona-Scheiss war gefühlt Lichtjahre weit weg und man konnte die tolle Stimmung geniessen. Ja, aber leider nur knappe 30 Minuten, dann mussten wir laut Bordbuch wieder los. Das war sehr schade, denn vorher hatten wir schlappe 55 Minuten auf einem gruseligen Parkplatz vor den Toren der Stadt absitzen müssen. Denn: Vorzeit an der Kaffeepause war nicht erlaubt! Wer denkt sich sowas aus? Gerne hätten wir hier länger verweilt und auch noch ein, zwei Bier getrunken. Sehr schade.

Der kurze Aufenthalt im Kurgarten war aber definitiv ein Höhepunkt der Fahrt!

Dann ging es zurück nach Augustdorf, wo im Ziel noch eine 10 Sekunden-Prüfung zu absolvieren war. Kleiner Sektempfang im Ziel und zwei schöne Plaketten heiterten die Stimmung auf.

Vor dem Abendessen in Buffetform folgte noch der historische Teil. Ein Veteran des ADAC (dessen Namen ich mir leider nicht merken konnte, dafür leiste ich Abbitte) gab mit einigen historischen Fotos einen Abriss der Geschichte des ADAC in Lippe und der Westfalen-Lippe Fahrt. Allerdings gab es eine große Lücke von 1932 bis 1956… Und leider hat auch niemand dem Referenten den Hinweis gegeben, dass man das Mikrofon nicht IN den Mund nehmen braucht. Daher waren diese 30 Minuten leider extrem schwer verständlich. Das ist sehr schade, denn hier steckte bestimmt viel Herzblut drin. Ein kleiner Hinweis hätte doch geholfen…

Ein kleiner Hinweis ist nicht ausreichend, für das, was dann im Rahmen der Auswertung, des Ergebnisaushangs und der Siegerehrung folgte. Nur soviel: die Musterlösungen nach Karte und die Idealbordkarte hingen frühzeitig. Die Ergebnislisten aber dauerten und dauerten. Insbesondere die Klasse 10 dauerte ewig und wurde zig mal neu ausgehängt. Die Ergebnisliste Klasse 9 wurde mit Siegel und Unterschrift ausgehängt, hatte aber zunächst nur Platz 9 als Inhalt. Ja, genau. Nur ein Teilnehmer in Klasse 9 – Wer macht hier die Qualitätssicherung? Ein anderes Team bekam zunächst 10 Fehlerpunkte zugesprochen, obwohl keinen Ori-Fehler gemacht. Etc, etc.

Wir waren zunächst Klassensieger in Klasse 9, wechselten dann aber korrekterweise in Klasse 10 auf Platz 3. Dann von Platz 2 gesamt auf Platz 3 gesamt. Das geht alles ok, aber es kann doch nicht sein, dass ein Aushang eine Halbwertszeit von ca. 5 Sekunden hat. Klasse 10 war mehrfach so schnell wieder ab- wie aufgehängt. Dabei ging natürlich viel Zeit verloren und auch ein Teil der Teilnehmer trat irgendwann etwas frustriert die Heimreise an. Gegen 22.30 Uhr !!! begann dann die Siegerehrung. Diese war wiederum sehr launig moderiert und wir hatten mega viel Spass im Kreis der Teilnehmer aus Unna Kamen, Münster, Arnsberg, Oelde, Bochum und Paderborn. Aber ernsthaft, das war ein übler Rückfall in Vor-Corona-Zeiten. Dazu kam noch, dass wir in GLP 2.1. angeblich ca. 2,5 Sekunden zu spät waren. Eine solche Abweichung merkt man aber als (erfahrener) Teilnehmer. Da auch andere Ergebnisse eher wacklig waren, bleibt ein komisches Gefühl.

Akte X – sie kommen uns holen!

Nein! Siegerehrung beim ADAC!

1925 waren die Nachttöpfe Plaketten auch schöner…

Ein übergreifendes Fazit für diese Fahrt fällt mir schwer.

Am Ende hatten wir sehr viel Spass, was aber vor allem am tollen Teamspirit lag. Die Strecke war schön, das Roadbook fehlerfrei und die Aufgaben vollkommen angemessen. Die Kaffepause im Kurgarten war wunderschön. Auf der Minusseite stehen aber: Mittagspause am Bilster Berg ein Griff ins Klo, 55 Minuten Vorzeit abwarten vor der Kaffeepause und bizarre Szenen bei der Auswertung.

Höhen und Tiefen also – vielleicht ist das auch ein gutes Fazit für 80 Veranstaltungen der Westfalen Lippe Fahrt ?!?!