Jahresendabrechnung 2022 – So war das Rallye Jahr (ein Essay)
Alle Jahre wieder kommt an dieser Stelle die „Endabrechnung“. Und wie immer soll der Fokus alleine auf den Oldtimerrallyes mit allem, was dazugehört, liegen. Denn ansonsten könnte man hier viel schreiben, was aber schnell sehr politisch und nicht weiter führen würde.
Zur Einstimmung auf das Schreiben dieses Textes habe ich einmal die bisherigen Jahresrückblicke auf dieser Internetpräsenz gelesen. Dabei habe ich festgestellt: Vieles, was mich 2018 oder 2020 (2019 gab es komischerweise keine Jahresendabrechnung) bewegt hat, das ist immer noch aktuell. Wir kommen darauf zurück.
Doch zunächst etwas Statistik.
2022 habe ich an insgesamt 15 Oldtimerrallyes bzw. -ausfahrten teilgenommen. Treffen oder z.B. Lichtschranken-Trainings sind hier nicht inkludiert. Somit ist das Vor-Corona-Niveau in jedem Fall wieder erreicht. Allerdings hatte ich mir vorgenommen, auch im Sinne einer Work-Life-Wife-Hobby-Balance, weniger auf Masse, denn auf Klasse zu setzen.
Es waren am Ende wieder einige Teilnahmen, aber nicht mehr so exzessiv viele wie in einigen Vorjahren. Und ich sehe, dass es im eigenen Dunstkreis doch Teams gibt, die noch eine ganze Menge „mehr“ unterwegs sind.
2022 war ich – rein OT-Rallye technisch gesehen – sehr promiskuitiv. Sprich: Fahrt mit wechselnden Team-Partnern (Fahrern). Dabei holt man sich keinen Juckreiz, sondern hat viel Spaß und eine Menge schöner Erfahrungen. Etliche dieser Fahrten waren Läufe für den OWL- bzw. Classic Revival Pokal. Insofern ging es schon um die Wurst. Daher an dieser Stellen einen großen herzlichen Dank an meine Fahrer bzw. Beifahrer_innen:
- Jörg Stursberg (5)
- Ralph Schierenberg (4)
- Hans-Georg Sonnendecker (3)
- Martina Schäfer (1)
- Olaf Nattenberg (1)
- Hans Störmann (1)
In Klammern jeweils die Anzahl der gemeinsamen Fahrten.
Ebenfalls weit gestreut war das Portfolio der Rallye-Fahrzeuge, die bei uns zum Einsatz kamen:
- Porsche 944 S2 (6)
- Mercedes 190E 2.5-16 (4)
- BMW 528i (2)
- Subaru Impreza (1)
- Fiat 1500 (1)
- Citroen DS (1)
Auch hier in Klammern die Anzahl der Einsätze.
Meine eigenen Fahrzeuge kenne ich ja mit ihren Stärken und Schwächen. Bei den „Fremdfahrzeugen“ hat mich der Subaru Impreza sehr beeindruckt. Von außen eher unscheinbar. Von innen kompromisslos auf Rallye umgebaut mit Käfig und engen Schalensitzen. Vor allem aber sehr wendig und mit dem Schotterfahrwerk überraschend komfortabel. Ca. 300 PS und Allrad tun ihr übriges. Keine reine Heizkiste und gerade auf den ländlichen Straßen top. Ich hatte Lärm und wenig Komfort erwartet, aber die Fahrt mit diesem Fahrzeug war überaus angenehm. Trotz „Stahlgewitter“. Am anderen Ende der Skala die lenkradgeschalteten Citroen DS und Fiat 1500: hier merkt man eben doch das Alter und vor allem, dass sie (insbesondere die DS) nicht für den eher sportiven Einsatz gedacht sind. Und bei Zeitprüfungen im engen Rundkurs sehe ich auch die Lenkradschaltung als echten Nachteil. Stichwort: Geknurpsel und Geruckel. Zudem will ich in keinem Fahrzeug mehr mitfahren, dass nicht über Gurte und Nackenstützen verfügt. Oder schwache Bremsen hat. Oder beides.
Das Jahr 2022 war aber auch das Jahr der Gastberichte. So viele Freunde und Bekannte wie noch nie haben die Chance genutzt, und ihre Erfahrungen auf dieser Internetpräsenz geteilt. Teilweise waren es mehr Gastberichte, als meine eigenen Beiträge. Auch hier waren echte Highlights dabei, z.B. das Debut des Erdbeerkörbchen-Duos Annika und Maika. Ihnen gilt ebenso großer Dank wie den weiteren Gastbeitragenden: Olaf, Jörg, Hans, Norbert, Thomas (ich hoffe, ich habe keinen vergessen). Zusammen bilden wir den Kreis der „kritischen Stimmen“. Denn natürlich finden unsere Bewertungen und Meinungen nicht immer nur Zustimmung, gerade bei den Veranstaltern und Fahrtleitern. Hier noch einmal mein Grundsatz: Ich schreibe immer aus meiner rein subjektiven Sicht als Teilnehmer, möchte dabei aber auch so fair und realitätsnah sein, wie möglich. Daher gilt es, Licht und Schatten zu benennen. Zudem soll die Sache lesenswert und unterhaltsam sein. Undifferenzierte Jubelberichte wird es hier weiterhin nicht geben. Aufgrund persönlicher Erlebnisse und Berührungspunkte mag die ein oder andere Schilderung oder Bewertung nicht jedem Leser direkt verständlich sein. Sie hat es aber gegeben und findet somit Eingang in das jeweilige „Fazit“. Nach wie vor kann ich die Reichweite der Seite leider nicht messen, aber der immer wieder vorkommende Zuspruch im Rahmen von Veranstaltungen ist schon schön. Denn dann ist klar, hier wird nicht nur für sich selbst und die eigene Blase geschrieben. Auch möchte ich an dieser Stelle das Angebot machen: Wer sich missverstanden oder zu Unrecht kritisiert fühlt – bitte melden! Sicherlich gibt es auch Missverständnisse oder unterschiedliche Sichtweisen. Das ist menschlich. Gerne würde ich hierauf eingehen. Aber dann müsst ihr auch aus der Deckung kommen…
Stichwort: Aus der Deckung kommen. 2022 bin ich aus der touristischen/tourensportlichen in die sportliche Klasse gewechselt, zumindest soweit die Cup-Läufe betroffen waren. Wie ist das nun gelaufen? Ich sag mal, durchaus gut. Die Aufgabenstellungen waren aus Beifahrersicht grundsätzlich machbar. Allerdings brauche ich dafür noch relativ viel Zeit, die dann bei den knappen ZK-Vorgaben für Stress sorgten. Bestes Beispiel: Rund um Oelde: Null Fehler in der Bordkarte, aber 12 Strafpunkte in den ZK. Unter Zeitdruck macht man dann auch Fehler, die eigentlich „dumm“ waren. Und einige Male kamen , aus meiner Sicht, sehr grenzwertige Auswertungen und Fahrtleiterentscheidungen dazwischen. Mit den Platzierungen kann ich insofern leben, aber es ist noch Luft nach oben. Der Kreis der Wettbewerber ist in dieser Liga aber doch recht eng und vor allem total hochkarätig. Etwas mehr Zuspruch für die sportliche Klasse wäre schön, vor allem bei den Teams, die in der Wertung T bzw. TS seit Jahren auf die ersten Ränge fahren…
Nach dieser verlängerten Einleitung nun zu den Auffälligkeiten im Rallye-Jahr 2022.
Erster Punkt: alles zurück auf Los, man könnte auch sagen: Aus Corona wurde nichts gelernt. Die weitaus überwiegende Zahl der Veranstaltungen setzte wieder auf die klassischen Tagesveranstaltungen mit Start am frühen Morgen inkl. Abendessen sowie Auswertung und Siegerehrung am gleichen Abend (bzw. in der Nacht). Dabei gab es so viele positive Aspekte der Kontaktlos-Veranstaltungen. Damit meine ich natürlich nicht „3G“ und „Maskenball“. Aber z.B. das sukzessive Eintreffen nach Startnummer und auch der Wegfall von Nachtsitzungen, während man auf die zigfach korrigierte Auswertung wartet, das hat zu Coronazeiten schon gefallen. Immerhin haben einige Veranstalter den digitalen Ergebnisaushang übernommen (MSC Ruhrblitz und MSC Rothenuffeln). Und auch die Anmeldungen sind immer öfter online möglich. Hier unterstützt der ADAC mit einem eigenen web-basierten Tool, was in OWL immer mehr Ortsclubs nutzen. Hat zwar etwas Windows 95-Charme, kann aber im Praxiseinsatz durchaus überzeugen.
Zweiter Punkt, auch wieder ein Bezug zur Corona-Zeit. Auch 2022 gab es immens viele Absagen von Veranstaltungen. Und zwar keine Zwangsabsagen. Die jeweilige Fahrt hätte stattfinden dürfen, aber der Veranstalter sah sich nicht in der Lage, die Fahrt auch tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Über die Gründe darf spekuliert werden. Was ich immer wieder gehört habe: Sponsoren haben gekündigt (Corona, Wirtschaftskrise, Inflation), Helfer wollen nicht mehr, Gastwirte gibt es nicht mehr oder wollen nicht mehr (siehe Sponsoren). Ja, das Umfeld wird schwieriger. Und teilweise war das gastronomische Angebot auch erkennbar dürftig. Aber, ich meine, es müsste der Anspruch sein, eine Fahrt auch ohne massive Sponsorenunterstützung und ohne inkludierte Essensleistungen durchzuführen. Ich persönlich brauche es nicht, dass das Abendessen im Nenngeld eingeschlossen ist. Das kann ich gerne selber zahlen und bin dann in der Wahl etwas freier. Ein Kaffee am Morgen und ein hochwertiges Lunchpaket wären doch auch fein. Dann muss die Fahrt aber auch nicht um 8 Uhr beginnen und erst um 23:30 Uhr enden. Vorbildlich fand ich in den Vorjahren die Lösung des MSC Ruhrblitz: man konnte sich als Teilnehmer noch im Vereinslokal „Goerke“ treffen und auch ein schönes Schnitzel essen. Aber das war kein Teil der Veranstaltung mehr, auch wenn die Ergebnisse auf bereitgestellten Monitoren übertragen wurden. In vielen Veranstalterköpfen steckt wohl immer noch die Maxime „so, wie wir es immer gemacht haben“.
Ebenfalls auffällig war der zum Teil sehr unterschiedliche Zuspruch bei den Veranstaltungen. Manche waren schnell ausverkauft, andere wurden mangels Nachfrage sogar abgesagt. Auch hier kann man über Gründe nur spekulieren. Ich wage mal die These: Erstens setzt sich Qualität auf Dauer immer durch. Und zweitens ist ein Wertungslauf zu einem ADAC-Cup immer noch um einen Anreiz reicher. Die Veranstaltung kann noch so grottig sein, wenn man im Cup mitfährt, überlegt man es sich dann doch dreimal, nicht hinzufahren. Das ist eigentlich absurd, denn eine Cup-Veranstaltung sollte aus sich heraus ausreichend attraktiv und die Teilnahme begehrt sein.
Aber leider, nächster Punkt, gab es auch 2022 wieder die inzwischen leidlich bekannten Probleme und Irritationen bei den Auswertungen. Auch das vor dem Hintergrund, dass aus Corona nichts gelernt wurde: unter Zeitdruck macht jeder Mensch eben leichter Fehler. Aber, wenn der eigene Anspruch so aufgebaut wird, dann muss man sich daran messen lassen. Viele Veranstalter schaffen das ja auch (locker). Aber einige bzw. immer noch zu viele schaffen es eben nicht. Siegerehrung ohne Ergebnisaushang, Neutralisierung von 8 aus 40 Kontrollen, nachträgliche Vergabe von Strafpunkten, Aushang bereits korrigierter Musterbordkarten… alles erlebt. Teilweise entstand auch der Eindruck, die Ergebnisse werden im Nachgang zur Fahrt im Hinterzimmer verhandelt. Die Massierung dieser Vorkommnisse fand ich im Q3 des Rallyejahres schon recht frustrierend. Vor allem, wenn durchaus namhafte Fahrten an dieser heiklen Stelle dermaßen schwächeln. Hier sehe ich weiterhin großen Verbesserungsbedarf. Vielleicht ist es eine Lösung, im Zweifel das Teilnehmerfeld auf das handhabbare Maximum zu begrenzen. 50 Teilnehmer perfekt ist vielleicht die bessere Alternative als 75 Teilnehmer gerumpelt? Und auch dieses Jahr plädiere ich dafür, dass den kürzeren Veranstaltungen die Zukunft gehört. Siehe Rothenuffeln. Da hat nichts gefehlt und es war trotz Anspruch sehr entspannt. Ich brauche kein „Eintreffen ab 7:30 Uhr“, damit ich dann um 22 Uhr immer noch im Dorfkrug auf belastbare Ergebnisse warte. Es könnte so einfach sein…
Aber ich möchte nicht nur auf die „bösen“ Veranstalter und Fahrtleiter drauf hauen. Dieses Jahr sind auch wieder, und leider immer häufiger, sehr rücksichtslose und zum Teil aggressive Teilnehmer aufgefallen: Das langsame Teams die schmalen Straßen blockieren und schnelleren Teams mit erkennbarer Zeitnot die Strecke nicht freimachen, das ist inzwischen ja fast schon üblich. Dazu kommt leider auch noch, dass man mitten auf der Kreuzung anhält, um die Karte zu studieren oder zu diskutieren. Warum können solche Teilnehmer nicht kurz am Straßenrand halten? Ich wünsche mir, dass die Fahrtleiter in ihren Unterlagen und Besprechungen auf solche Umstände explizit hinweisen. Auch das Halten nach dem „gelben Schild“ in Wertungsprüfungen sollte konsequent mit Strafpunkten belegt werden.
Zum Teil habe ich Stimmen gehört, dass Veranstaltungen immer schwerer werden. Das kann ich persönlich nicht bestätigen, ich fahre ja auch (touren-)sportlich. Aber, die verschiedenen Anspruchsklassen Touristisch, Tourensportlich und Sportlich gehen weiterhin munter lustig durcheinander. Tendenz: hier wird sich immer weniger drum gekümmert. Die ADAC-Organisationen haben offenbar auch andere Prioritäten. Für die sportliche Klasse sollte aber definitiv mehr Marketing gemacht werden, gerne auch durch weitere Anreize. Ist es nicht langweilig, zum 4. Mal in der Klasse Touristisch Gesamtsieger zu werden? Die Lösung des ECC mit einer gemischten Wertung halte ich nach wie vor für hervorragend. Aber in den ADAC-Gremien finden diesbezügliche Vorschläge überhaupt keine Berücksichtigung. Warum auch, läuft doch. Nein, sage ich, man muss das Hobby und die Veranstaltungen aktiv bewirtschaften und behutsam pflegen, damit die Attraktivität erhalten bleibt. Nachwuchsprobleme? Halte ich für selbst gemacht. Ich sag nur: Damenpokal. In manchen Aspekten ist der OT-Sport wirklich verstaubt. Aber auch hier gibt es enorme Unterschiede. Die Vielfalt bei manchen Fahrten ist schon toll und dort sind dann eben nicht nur die üblichen Verdächtigen des „Inner Circle“ mit dabei.
Wir kommen zum Schluss. Für 2023 wünsche ich mir und uns wieder viele schöne Veranstaltungen. Gerüchteweise sollen ja doch einige Fahrtleiter bzw. Organisatoren aufgeben. Wir werden sehen. Jedenfalls: Die Rahmenbedingungen für unser Hobby werden auch „nach Corona“ nicht besser. Daher gilt es, zusammenzustehen und für unsere Leidenschaft, die auch Freiheit bedeutet, gleichermaßen ruhig und beharrlich einzustehen. Allen Veranstaltern, die in diesem schwierigen Umfeld weiterhin Veranstaltungen ausrichten, gilt daher noch einmal großer Dank!
P.S.: Die Independent Ories waren wie im Vorjahr ein echtes Highlight. Insbesondere die Sommer-Ori im Ostwestfälischen war für mich nahezu perfekt. Auch hier großer Dank an alle Beteiligten und alle Teilnehmer.