Die „VFFG Historik“ ist die Nachfolgerin der legendären Veranstaltung „Rund um das Göttinger Gänseliesel“ (wird heute noch fälschlicherweise von einigen ältereren Teilnehmern so benannt). Veranstalter sind die Veteranen-Fahrzeug-Freunde Göttingen (also daher VFFG). Nun findet diese Fahrt aber mitnichten in Göttingen (bzw. Umgebung) statt, sondern Start, Mittagspause und Ziel sind in Gieboldehausen. Ja, das habe ich mich auch gefragt… Google Maps sagte mir dann „3:11 Stunden“ Anfahrt von Münster aus, nochmal 30 Minuten hinter Götitingen. Also eher Südharz, Zonenrandgebiet. Landschaftlich bestimmt wunderschön. Aber 600 km für An- und Abreise..? Die Veranstaltung hat aber einen sehr guten Ruf und zählt für immerhin drei Cupwertungen: Classic Revival, Classic Car Challenge und, man glaubt es kaum, OWL-Cup. Tja, das war mir auch neu. OWL erstreckt sich fast bis Braunlage 🙂 Nun, vielmehr ist es wohl so, dass es immer weniger sportliche Veranstaltungen gibt, und da tut man sich halt zusammen. Sicherlich aufgrund der Absagen in den Vorjahren gab es dieses Mal „nur“ 65 Nennungen. Davon jedoch sage und schreibe gleich 20 Stück (!!!) in der sportlichen Klasse. Das ist sensationell, auch wenn ich das irgendwie nicht nachvollziehen kann, warum nun gerade hier so viele TN in der sportlichen Klasse nennen.

Prolog:

Da Gieboldehausen von Münster respektive Remscheid aus doch einige hundert Kilometer entfernt liegt, trafen wir uns am Vortag der Veranstaltung in Werl Süd am Mitfahrerparkplatz und fuhren dann gemeinsam mit dem Rallye-Fahrzeug weiter in Richtung Osten. Als Zwischenstopp war Hannoversch Münden eingeplant und natürlich war auch ein Hotel in Gieboldehausen für uns reserviert. Hierzu hatte ich am Vortag extra noch mit dem Hotelier telefoniert. Anreisezeit egal, Schlüssel im Safe hinterlegt, wir sollten aber noch mal anrufen, wann und was wir frühstücken wollen. Soweit ok.

In Hann. Münden war die Gegend am Weserstein sehr schön und stimmungsvoll. Hier konnten wir auch einer „Feuerwehr-Hochzeit“ beiwohnen. Die Altstadt ist auch beeindruckend mit den vielen schönen Fachwerkhäusern. Leider regiert hier der Leerstand und der Verfall. Offenbar keine gute Lage und Sozialstruktur. So fanden wir hier auch kein uns passendes Lokal und fuhren weiter Richtung Seeburger See. Im dortigen Restaurant am See „Graf Isnang“ trafen wir weitere Teilnehmer und konnten bei bestem Wetter noch eine kleine Stärkung einnehmen. Preisfrage: Was essen Oldtimer-Rallye-Teilnehmer? .. Na? Schnitzel natürlich… 🙂 Wobei es auch Ausnahmen geben soll…

Gegen 21.30 Uhr erreichten wir dann unser Hotel „Amtsrichter“ in Gieboldehausen. Wir erkannten einige Rallyefahrzeuge und auch Trailer. Irgendwo musste nun der Schlüsselsafe sein. Ah, gefunden, im Foyer. Eine Rezeption gab es hier nicht, auch das Restaurant ist dauerhaft geschlossen. Schnell die Zahlenkombination eingegeben, die Türe vom Safe öffnet sich und …. nichts… Kein Schlüssel drinnen. Oje. Zum Glück hatte ich ja die Telefonnummer vom Hotelwirt gespeichert. Angerufen und er meldet sich auch schnell. So, wo sind denn nun unsere Schlüssel? Schweigen am anderen Ende der Leitung. Hallo? Gestotter .. Ja, nun es gibt keine Zimmer mehr, alle belegt. Wir hatten aber gestern abend noch telefoniert, erinnern Sie sich? Schriftliche Reservierungsbestätigung! Wieder langes Schweigen. Gemurmel… Um es abzukürzen. Das Hotel Amtsrichter ist ein Etablissement, wo der Betreiber so eine Art Gästeroulette spielt. Zimmer reserviert, ja schön, aber das bedeutet noch lange nicht, dass Sie auch eines bekommen. Es war 21.30 Uhr und wir standen mit unseren Taschen in der Pampas. Leider auch keine 20 mehr, da hätten wir uns mit der Isomatte und dem Schlafsack vor den Boliden gelegt. Aber, Google sei Dank, haben wir dann doch noch ein sehr schönes und professionell geführes Hotel in Duderstadt gefunden. Hoteltipp: Zum Löwen. Sehr empfehlenwert. Auch Duderstadt machte einen sehr schönen Eindruck. Hier kann man mal wieder herkommen.

Am nächsten Morgen klingelte der Wecker dann früh. Denn wir wollten/sollten gegen 8 Uhr am Start sein. Dies war das „Event- und Tagungszentrum Niedersachsen“. Klingt gut? War aber „in Natur“ doch sehr rustikal, man könnte auch sagen renovierungsbedürfig und schröddelig. Rustikales Frühstück mit belegten Brötchenhälften und Kaffee. Der Blick in die Fahrtunterlagen und die kurze Fahrerbesprechung zeigte: dieses Jahr war alles anders als bei der letzten Veranstaltung 2019. Vor allem: kein Einbahnstrassensystem! Gegenverkehr also erlaubt. Und auch Kreuzen war unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Hier musste man als Beifahrer also kräftig umdenken. Neben den Karten- und einigen ergänzenden Chinesen-Aufgaben sollte es 4 WP geben, davon eine mit insgesamt 5 Messungen. Die Sollzeiten waren alle sehr kurz bis ultra-kurz: 4 Sekunden, 7 Sekunden, 22 Sekunden. VIER Sekunden?!

Roadbook gab es um 8:59 Uhr – und um 09:14 Uhr erfolgte dann unser Start. Direkt rechts um die Ecke die erste SZP mit einer Fahrzeit von 4 Sekunden.. Wie sind solche kurzen Zeiten nur zu fahren? Dann hinein in die Ori-Aufgaben. Ich will hier nicht alles zu ausführlich beschreiben. Nur soviel: Der Entfall des Einbahnstrassen-Systems war schon eine Herausforderung. Schon in der ersten Aufgabe musste man auf der Idealstrecke einmal entgegen einer besetzten DK fahren – dann eine Schleife und zurück. Das haben wir natürlich anders gemacht, denn falsche Richtung in die DK, das ist ja normalerweise total pfui. Vormittags- und Nachmittags-Etappe waren zwei getrennte große Schleifen, einmal 3,5 Stunden und dann noch einmal 3 Stunden Sollzeit. Auf der Vormittagsetappe gab es durchaus einige knifflige Denksportaufgaben. Immer wieder spielte der Fahrtleiter mit der erlaubten, aber nicht gewohnten, Gegenläufigkeit. Die Karten waren gut zu lesen, allerdings auch oftmals sehr klein und die roten Aufgabenteile auf den orangen Strassen kaum zu erkennen.

Die Aufgaben in Nörten-Hardenberg waren ein erster Höhepunkt. Sehr verschachtelt mit einigen eingestreuten Vergrößerungen, die man ineinander bekommen musste. Dann musste man die Doppellinigkeit auf dem Parkplatz erkennen und dort die Wendekontrolle mitnehmen. Das war schon sehr professionell gemacht.

Im weiteren Verlauf gab es eine kurzfristige Streckensperrung und damit den Entfall der Aufgaben 11 und 12 im Roadbook. Diese waren also gar nicht mehr enthalten. Dafür gab es dann eine mikroskopisch kleine Anleitung mit kleinen violetten Pfeilen, wie man nun zu Aufgabe 13 zu fahren hatte. Zwar ohne Kontrollen, aber sehr sehr klein gezeichnet und damit schwer zu finden.

In der Aufgabe 13 begegneten uns dann die SZP 2 und 3, jeweils in einem Wendehammer. Auch diese waren gut gemacht, wenn auch mit erkennbar wenig Personal und ohne FiA-Beschilderung.

Hinter Nörten-Hardenberg folgte eine Chinesenrallye, bis zu einer Streckensperrung aufgrund eines Unfalls. Hier wurden wir von einem Streckenposten eingewiesen, wie wir zu fahren hatten. Holzerode –> Renzhausen –> Krebeck –> B27 …. dann weiter in den Aufgaben. Zusätzlich gab es für den Fall der Unpassierbarkeit klare Regeln im Fahrerbrief: „Generell ist die Idealstrecke dann nach Natur und/oder Karte beim nächsten Aufgabenteil wieder aufzunehmen. Dabei ist Wenden und Rückwärtsfahren erlaubt“. So haben wir es dann auch gemacht. Über Krebeck und die B27 nach Ebergötzen zurück, dort wo Chinese Nr. 17 T-Stück rechts anzeigt. In Ebergötzen selber gab es dann zwei sehr geschickt platzierte Kontrollen. Dabei die „J6“ an einem Kartenfehler hinten dem Brunnen vorbei mitnehmen. Dann über Seeburg zurück in Richtung Mittagspause. Hier waren wir ja am Vorabend eingekehrt. In Aufgabe 19 gab es noch einen aufgeklebten Kartenschnippsel und eine wirklich sehr anspruchsvollen Aufgabenstellung über die Kontrolle „G4“ in Richtung Ziel: hier kamen wir mit ca. 8 Minuten erlaubter Vorzeit an. Die 3,5 Stunden erschienen vorher viel Zeit, aber durch zwei Sperrungen und das damit verbundene Gesuche hatte man dann noch mehr Zeit verbraucht. Achja, in der sportlichen Klasse hatten wir dann in der Etappe 1 insgesamt 28 Kontrollen notiert. Sehr sparsam, der Herr Fahrtleiter.

Nach ca. 60 Min. Mittagspause und einer Erbsensuppe Note 4+ ging es dann weiter in die Nachmittagsetappe. Diese war drei Stunden lang und führte über Pöhlde nach Bad Herzberg am Harz, Hörden am Harz, Eisdorf und einer Schleife wieder fast nach Eisdorf durch eine wirklich wunderschöne Landschaft. Nachdem am Strassenrand ein Trabbi von uns passiert wurde, hatte ich bei ca. 33 Grad im Auto eine Fata Morgana. Am Strassenrand stand ein Kamel. Ein Kamel. Im Harz. An der Strasse. Lauter Schrei, mein Fahrer dachte an einen Sonnenstich bei mir. Ich blieb aber dabei und wir wendeten, um das ostzonale Kamel zu begutachten. Tatsächlich, da war es, nein, es waren derer sogar zwei. Sehr friedlich und gemütlich. Sie wollten allerdings keinen Kamelstempel auf unsere Bordkarte geben…

Apropos Kamel: Dieses Tier steht bei Eingeweihten für eine negative Stempelkontrolle, so wie sie mein Fahrer in seiner langen Zeit bei der Hasten Historic (fast) zu Perfektion getrieben hat. Eine solche Negativkontrolle trafen wir dann am Ende von Aufgabe 32 auch mit Kartenbild auf einem Parkplatz vor einem Möbel- oder Bettenladen an. Hier stand die DK ganz rechts auf dem Parkplatz an einer kleinen Hecke, der rote Pfeil war aber sehr eng an das Gebäude auf der anderen Seite (links) gezeichnet. Gut gemacht, aber für uns Kamelexperten auch sehr eindeutig… Bei der Ausfahrt vom Parkplatz wurden wir dann von einem fliederfarbenen Ludenporsche blockiert. Diese Insassen hatten alle Ruhe weg, hielten mitten in der Ausfahrt, um erstmal die Karten zu studieren. Wenn man dann noch angepöbelt wird… Vielleicht liegt es an Corona oder der Hitze, aber bei der VFFG 2022 ist uns einige Male eine recht gereizte bis aggressive Stimmung (der Teilnehmer) aufgefallen, die wir von anderen Fahrten so nicht kennen. Mehrfach hielten Teilnehmer auch mitten auf der Strasse, gerne auch einer Hauptstrasse -ohne Blinker oder Warnblinker – um ihre Karten zu studieren. Ich habe gelernt, dass man dann rechts ran fährt und auch mal den Blinker setzt. Vor allem verhält man sich aber nicht wie in der Pubertät, wenn man darauf angesprochen wird.

Im Anschluss waren wir schon wieder im Ziel, mit einiger Vorzeit und sage und schreibe elf Kontrollen für die gesamte Nachmittagsetappe. Also rechnerisch 3,67 Kontrollen pro Stunde Fahrzeit. So fühlte es sich dann auch mehr nach Oldtimerwandern an, als nach einer sportlichen Aufgabenstellung, wobei die eingestreuten, mehrfachen Negativkontrollen schon gut gemacht waren.

Bei der Einfahrt zum Ziel am „Eventzentrum“ blockierte widerum ein (skandinavischer) Teilnehmer einen Teil der Einfahrt direkt an der Zielkontrolle. Warum muss man nur gerade hier parken und diskutieren? Vor allem aber: Warum toleriert der Verstalter so ein Verhalten? Auch auf der Wiese am „Eventzentrum“ wurden Teilnehmergespanne zugeparkt. Platz war genug.

Bei der geringen Anzahl an Kontrollen und allen SZP in der ersten Etappe war eine zügige Auswertung zu erwarten. So kam es auch, in etwa. Leider waren die Umstände der Auswertung für eine professionelle Fahrt – mit mehrfacher Cup Wertung – unwürdig. Es gab insgesamt, d.h. auf beiden Etappen, ganze 40 Kontrollen – davon wurden 8 Kontrollen neutralisiert. Das sind 20 Prozent. Ein Rekord, sowas habe ich noch nie erlebt. Man muss aber sagen: das waren alles keine Neutralisierungen wegen einem Fahrtleiterfehler. Der Fahrtleiter hat in dieser Hinsicht keine Fehler gemacht, die Aufgaben und die gedachten Lösungen waren m.E. einwandfrei. Umso befremdlicher, dass diese Masse an Kontrollen (auf Intervention von einzelnen Teilnehmern) dann neutralisiert wurde. Dreimal wurde die C3 im Kreisverkehr neutralisiert mit der Begründung vom Fahrtleiter „weil ich das so entschieden haben“. Aha. Man hörte im „Flurfunk“, dass die Bewertung von Folgefehlern schwierig gewesen sein. Nun, das sollte man sich vorher überlegen – vor der Finalisierung der Aufgaben. In der E1 wurden zudem alle (!) Kontrollen nach der Sperrung und Umleitung neutralisiert, das waren weitere vier Stück, darunter auch eine Stempelkontrolle. Hier gab es wohl Teilnehmer-Rückmeldungen, es wäre unklar gewesen, wie zu (ver-)fahren sei. Der Blick in den Fahrerbrief hätte geholfen (siehe oben). In der Nachmittagsetappe wurde zudem die negative DK auf dem Parkplatz neutralisiert. Einen echten Grund hierfür gab es eigentlich nicht, die Aufgabenstellung war klar an dieser Stelle, aber das hielt Teilnehmer, die hier einen Fehler gemacht hatten, wohl nicht davon ab, mit fadenscheinigsten Gründen zu intervenieren. Unsere Vorsprache beim Fahrtleiter blieb unterdessen ungehört. Es ist das eine, dass auch langjährige Profi-Teams es offenbar nötig haben, sich nach oben zu intervenieren. Aber als Fahrtleiter sollte man hier schon standhaft bleiben können. Was ich weiterhin in diesem Zusammenhang kritisieren muss, ist, dass es keine Muster-Bordkarte gab, so wie der Fahrtleiter sich die Idealstrecke ausgedacht hatte. Die erste ausgehängte Version war schon diejenige „nach Intervention“. So kann ich als „anderer“ Teilnehmer aber überhaupt nicht mehr erkennen, was gemeint war. Das verletzt auch die Gleichbehandlung aller Teilnehmer. Was soll ich als „Neuling“ hier denken? Ist das sowas wie ein „Closed Shop“, wo dann am Ende das Ergebnis „unter sich“ ausgemacht wird? Ein solcher Eindruck wäre verheerend.

Fazit:

Was gibt es noch zu schreiben? Eigentlich, ähnlich wie Hagen, keine schlechte Fahrt. Wunderschöne Strecke, einige kniffelige Aufgaben und Einiges an Geschmackssache. Damit kann man doch gut leben. Am Ende schlägt dann der Fahrtleiter als Neutralisator zu, weil er nicht zu seinen Aufgaben steht und offenbar mit bestimmten Teilnehmern keine Diskussionen will. „Sportlich“ ist das nicht.

Diese Fahrt hat bei meinem Fahrer auch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Es ist selber langjähriger Fahrtleiter und Rallye Teilnehmer und kennt daher die „Szene“ recht gut, wenn auch nicht die „spezielle“ Szene in OWL und darum herum.

Hier seine Impressionen.


Nachtrag:

Der Fahrtleiter hat auf meine Fragen und Anmerkungen nach längerer Zeit in einer ausführlichen und sachlichen Email geantwortet. Im Hinblick auf die Neutralisationen werden wir wohl keinen Konsens mehr erzielen, aber diese Reaktion bewerte ich als sehr positiv.